Zeitkrimi-1

Clara Wunderbar

Prolog

„Es ist der Blues in deinem Kopf“ hatte Lenny ihr später einmal gesagt, „das leise Vibrieren in den Eingeweiden, das dich immer wieder aufrecht hält. Wenn du das nicht hast, dann gehst du kaputt.“ Dabei hatte er sie angelächelt und sie mit den nächsten Worten aufgefordert, ihre Brust ein wenig vor zu strecken und den Kopf verführerisch in den Nacken zu legen, während er mit seiner Kamera, jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgte.

Wegen ihm war sie heute eine Andere, doch alles hatte damit angefangen, dass er sie in einer verrufenen Bar im alten Judenviertel aufgegabelt hatte. Aber er war nicht einer von der Sorte gewesen, die sie nur ansprachen, um sie ins Bett zu bekommen.
Er hatte zwar auch von ihrem schönen Körper gesprochen, sie jedoch von einem Lust- zu einem Kunstobjekt gemacht. Er spielte ihr nichts vor, sondern hatte sie gerade heraus danach gefragt, ob sie bereit wäre, ein paar Fotos zu machen. Sie willigte damals ein, obwohl er ihr kein zusätzliches Geld anbot und auch sonst nichts versprach. Es war immerhin ein Stück Hoffnung, zu diesem Zeitpunkt. Zumindest für ein paar Stunden.

Sie folgte ihm auch weil er wirklich nett war, was bei der Sorte Freier die sie kannte, nicht so häufig vor kam. Doch das mit den Bildern hatte sie zugegeben, erst wirklich geglaubt, als sie das Atelier vor sich sah.

Bis dahin führte er sie durch zahlreiche dunkle Gassen und Straßenzüge, zu jenem Haus, das ihr später so vertraut werden sollte.
Es war ein alter Bau der frühen 20er Jahre, mit hohen Decken, verzierten Fenster- und Türrahmen, steinernen Sockeln und einem spitzen Dach. Am auffälligsten war jedoch die Sphinx an der Treppe, die zur Haustür führte.

In dieser Nacht, gingen sie trotzdem und nur miteinander ins Bett. Wobei Lenny nicht besser oder schlechter war, als die meisten Männer, die sie in diesem Zustand über sich ließ, nur in dem Fall wollte sie es.
Dass er auf besondere Weise anders sein konnte, fand sie erst viel später heraus.
Am nächsten Morgen jedenfalls erkannte sie sofort, dass sie sich wirklich in einem Fotoatelier befand. Mehrere Kameras waren auf Stativen aufgebaut. Auf Wäscheleinen, die quer durch den Raum gespannt waren, hingen zahlreiche große und kleine Schwarz-Weiß-Aufnahmen schöner Frauen.

Lenny, war allerdings nirgends zu sehen und er tauchte auch den ganzen Tag nicht wieder auf. Clara wartete auf ihn bis zum frühen Abend, wobei sie die meiste Zeit damit verbrachte ihren Rausch aus zu schlafen oder sich die Bilder anzuschauen. Sie gefielen ihr ausnehmend gut und man konnte den Motiven ansehen wie viel Spaß sie bei den Aufnahmen hatten. Die Hintergründe waren phantasievoll ausgewählt und die Vorzüge der leicht bekleideten Schönheiten gekonnt in Szene gesetzt. Clara war damals schon beeindruckt gewesen, aber zugleich enttäuscht, dass er offenbar doch keine Zeit oder Interesse an ihr gehabt hatte.

Während sie sich zwischenzeitlich ein eher kärgliches, einseitiges Mal, aus dem was Lennys Kühlschrank hergab zubereitete, stellte sie sich vor, ebenfalls vor seiner Kamera zu posieren.
In der Küche fanden sich auch einige Nacktfotos attraktiver junger Männer, denen Clara nicht nur einen beiläufigen Blick schenkte.

Lenny jedenfalls, kam nicht. Also verließ sie endlich gegen sechs Uhr abends seine Wohnung, die im Dachgeschoss lag. Sie hastete von einem plötzlichen Gefühl des Zeitverlustes erfasst, die Stufen hinab, wobei sie beinah strauchelte und fast mit einem jungen Mann, zusammengestoßen wäre, der schwungvoll um die letzte Biegung der Treppe gesprungen kam.

Der Fremde trug schwarzes, gelocktes Haar, dass ihm bis in den Nacken fiel und ein altmodisches weißes Rüschenhemd auf der geschnürten schwarzen Lederhose. In seinen leicht verschmitzten Zügen zeigte sich der Anflug eines spöttischen Lächelns. Seine dunklen Augen musterten dabei Clara aufmerksam. Sie registrierte verwirrt, dass er verflucht gut aus sah und dass sie ihn auf den Fotos in der Küche gesehen hatte.

Da Clara die Stufen hinab kam, welche nur noch zu Lennys Atelier führten und er, sein Name war Teo Faller, wie sie später erfahren sollte, demnach ebenso offensichtlich eingeschränkt in seinem Ziel nach oben war, musterten sich beide mehr als einen Wimpernschlag neugierig, ehe sie sich ohne ein Worte aneinander vorüber ließen.

Clara erreichte die Straße und schlug mit eher schleppendem Schritt, den Weg zum Kapuzinermarkt ein.

Kapitel 1: Clara

Am nächsten Tag harkte sie das Erlebnis dann unter der Rubrik: „Ungewöhnliche Begegnung“ ab, denn Lenny meldete sich zunächst auch nicht bei ihr. Sie war enttäuscht, aber konnte ihm, vielleicht weil es trotzdem ein bessere Nacht für sie, als sonst gewesen war, nicht wirklich böse sein. Erst an einem weiteren Abend, etwa fünf Wochen nach der Begebenheit, sollte sie Lenny überraschend, das zweite Mal über den Weg laufen.

Claras finanzielle Lage schwankte zu diesem Zeitpunkt zwischen hoffnungslos und ganz hoffnungslos, so, dass sie sich für keinen Job zu schade war und bei jeder sich bietenden Gelegenheit, auch ihre Haut zu Markte trug.
Sie hatte den frühen Abend, wie meist, in Toms Kajüte, in der Athenstrasse verbracht, doch die Kundschaft bestand dort an diesem Tag lediglich aus schüchternen Familienvätern, betrunkenen „fast noch“ Teenagern oder alten mittellosen Säcken. Die plumpe Anmache eines alten Trunkenbolds, hatte sie erst noch zurückgewiesen, mit dem Fortgang der Uhr und ihrem eigenem, ansteigenden Alkoholkonsum jedoch, ließ sie dennoch, für einen lumpigen Fünfziger, eine schnelle Nummer auf dem Männerklo zu.

Danach konnte sie zwar die Zeche bezahlen, fühlte sich aber sehr elend, musste sich auf der Damentoilette übergeben, verließ in einem Gefühl totaler Niedergeschlagenheit die Kneipe und wanderte einige Zeit etwas orientierungslos im Viertel umher.
Unbewusst hatte sie den Weg Richtung Karamba eingeschlagen und entschloss sich schließlich, nach einigem Zögern, dort auch hin zu gehen.

Es war fast 23.00 Uhr und die Bar war noch so gut wie leer, was ihr um diese Uhrzeit ungewöhnlich vor kam. An der Theke standen zwei, für diese Gegend zu elegant wirkende Herren, miteinander in ein angeregtes Gespräch vertieft. „Hops“ der Wirt, sprang wie üblich hektisch dahinter umher.
Am vordersten, runden Tisch, der Außentür am nächsten, hockten zwei, Clara gut bekannte Mädchen mit ihrem Zuhälter. Tiefer im Raum, konnte sie im schlechten Licht, jeweils zwei Paare und zwei einzelne Männer erkennen.
Das Karamba war bekannt als Wisky-Kneipe, weshalb man selten Bier vor den Gästen stehen sah. Am heutigen Abend jedoch, tranken fast alle Anwesenden Bier oder Wasser, lediglich Hops selbst, schien sich dem amerikanischen Getränk zu widmen.

Berry White, ein Halbamerikaner, gemeinhin wegen seiner außergewöhnlichen Körperlänge „Longberry“ genannt, der Beschützer von Cindy und Blanka, jener Mädchen am Tisch, warf ihr bei ihrem Eintreten, einen kurzen anzüglichen Blick zu. Schon öfter hatte er versucht, auch sie unter seine Fittiche zu nehmen, aber für dieses Mal, war er mit den beiden offenbar zu beschäftigt.

Eine weitere Person jedoch unterzog Clara, was ihr keineswegs entging, einer neugierigen Musterung. Es war einer der Männer, die alleine an einem der schmalen Wandtische saßen. Als sie den Tresen erreicht hatte und die Beleuchtung günstiger stand, sah sie wie er sich erhob und auf sie zu kam. Im selben Moment erkannte sie ihn, es war Lenny.

Der ihr jetzt eher untersetzt erscheinende Fotograf, trug eine sommerliche Weste über einem Totenkopf-T-Shirt und bot so, guten Einblick auf seine reich behaarte Brust.
Seine Hose war ungewöhnlich weit geschnitten und die bloßen Füße, steckten in ein Paar ausgetretenen Sandalen. Seine Haare waren so kurz gestutzt, dass man auf den ersten Blick denken konnte, er habe gar keines mehr. Im linken Ohr trug er einen großen Ohrring, an den sich Clara nicht erinnern konnte.
Insgesamt wirkte Lenny im ersten Augenblick auf sie eher abstoßend und sie stellte sich insgeheim die Frage, was sie einige Wochen zuvor, dazu gebracht hatte, freiwillig mit diesem Mann ins Bett zu gehen.
Der Alkohol, schloss sie scharf, musste es mal wieder gewesen sein und sie nahm sich vor, an diesem Abend, nicht noch mehr zu trinken.

Lenny begrüßte sie allerdings, wie eine alte Freundin und lud sie ein, sich an seinen Tisch zu setzten. Sofort war ihr wieder klar, das es seine weiche angenehme Stimme gewesen war, die sie damals verführt hatte.
Er verstand es die Unterhaltung in Gang zu bringen, auch weil er ihr verriet, dass er an jenem Abend vor Wochen, Fotos von ihr gemacht hatte, schlafend in seinem Bett. Sie war so verblüfft, dass sie ihn mit offenem Mund anstarrte. Er hob entschuldigend die Arme und sie sah wie kurz ein dunkler Schatten über sein Gesicht glitt. „Danach hatte ich eine harte Zeit, das war auch der Grund, warum ich nicht früher zurück kam, an jenem Tag und dann, warst du fort“, sagte er leise.

Er erzählte ihr dann mehr von seiner Arbeit und mit einem Augenzwinkern, von einer bevorstehenden Ausstellung, seiner neuesten Bilder und dass er auch ihre gerne dabei haben würde, weswegen er die letzten Tage nach ihr gesucht habe und Clara merkte kaum, wie die Zeit verstrich. Zwei Stunden, während dessen sie nur Wasser trank und sich das Bild ihres Gegenüber, vielleicht gerade darum, mehr und mehr zum Positiven hin wandelte.

Lange schon, hatte sich kein Mann mehr mit ihr, so ausgiebig unterhalten, hatte sie nach ihrer Meinung zu diesem oder jenem gefragt, ihr etwas zu Trinken ganz ohne Hintergedanken spendiert oder ihr Komplimente gemacht, ohne spätestens nach zehn Minuten den Versuch zu unternehmen, ihr unter den Rock zu greifen.

Lenny war ein Freak, dass war klar, aber Clara war erneut beeindruckt von ihm und es war der Anfang einer echten Freundschaft, obwohl ihr zumindest dieser Abend, schließlich doch, in eher schlechter Erinnerung bleiben sollte.

Was allerdings nicht an Lenny lag, sondern an jenen Dingen, die sich etwa um zwei Uhr Nachts, in überraschend schneller Abfolge abspielten.

Um den genauen Verlauf später besser rekonstruieren zu können, musste sie sich in einigen Fällen der besseren Beobachtungsgabe Lennys bedienen.

Nicht viel nach ihr, hatte ein weiterer Gast den Raum betreten, der schon durch sein herausgeputztes Äußeres, alle Blicke auf sich zog.
Ein weiter Mantel umspannte die Schultern, er war mit leuchtenden Knöpfen verziert und durch einen roten Saum verfeinert. Darunter trug er wie sich herausstellte, einen Maßanzug vom Feinsten. Seine Krawatte saß perfekt und sein Schritt war bestimmt und fest. Die blonden Haare trug er auf halber Länge leicht gewellt und ein sehr männliches, mit dünnem Oberlippen- und Kinnbart umrahmtes Gesicht, schaute darüber hervor. Seine Augen waren stechend blau, seine Hände, groß und knochig. Letztere verrieten am ehesten, sein ansonsten kaum einschätzbares Alter, das höher sein musste, als sein eher jung dynamisch wirkendes Auftreten.

Er bewegte sich zunächst zielstrebig zur Theke, ließ dabei jedoch einen raschen, nur kaum merklich, vielleicht doch etwas Unsicherheit verratenden Blick, durch den gesamten Raum gleiten, der schließlich an den Nutten und ihrem Zuhälter hängen blieb. Hier huschte ein leichtes Lächeln über seine Züge und dass nun zu Tage tretende Rot seiner Wangen, strafte seine tadellose Haltung Lügen. Er hatte offensichtlich doch, bereits einiges getrunken.

Lenny ordnete ihn, so seine nachträgliche Einschätzung, jener Sorte Männer zu, die eigentlich in ganz anderen Kreisen verkehren und sich nur gelegentlich, auf der Suche nach amouröser Abwechslung und einer verrückten Nacht, in diese Gegend verliefen. Männer mit meistens viel Geld in der Brieftasche, das sie los werden wollten.
Im Normalfall, genau die Art von „Beute“, auf die Clara aus war. Aber an diesem Abend, genoss sie zu sehr die Gesellschaft Lennys, als dass sie von dieser Möglichkeit Notiz genommen hätte.

Die drei am vorderen Tisch, nahmen jedoch Notiz von ihm und dies sagte dem Neuankömmling sichtlich zu, denn er hatte ganz offenbar sofort ein Auge auf die beiden „Schönheiten der Nacht“ geworfen.
So zog sich denn auch „Longberry“, schon nach kurzer Zeit vom Tisch zurück und verließ, eine Spur zu hastig vielleicht, wenn man es im Nachhinein bedachte, das Lokal.

Während der folgenden Stunden waren Lenny und sie in ihr Gespräch vertieft gewesen. Die Nutten und der Freier hatten sich hingegen schnell, in einen nur zum Teil vom Hauptraum abgetrennten Nebenraum zurückgezogen.

Dort erging man sich plötzlich, unüberhörbar in immer anzüglicheren und immer lautstärkeren Auseinandersetzungen, die dann offenbar in kleine Handgreiflichkeiten mündeten, dass es alle im Lokal es mitbekamen und so, dass Hopps sich genötigt sah einzugreifen.

Doch die nur kurze Aufmerksamkeit der anderen Gäste, die dieser Moment auf sich zog, verflog ebenso schnell, wie sich die Situation danach zu beruhigen schien.

Freier und Nutten demonstrierten beim verlassen des Hinterzimmers sogar, eine ausdrückliche Innigkeit, die zugunsten oder Ungunsten eines für den Kunden sicherlich kostspieligen Ausfluges, in Richtung der Etablissements der beiden Bordsteinschwalben, schließen ließ.

Aber es sollte anders kommen. Denn die Tür der Bar wurde, bevor die drei sie erreichten, im selben Moment aufgestoßen und ein ganz in schwarz gekleidete Gestalt betraten den Raum beinah lässig. Doch in ihrer rechten Hand hielt sie eine Pistole und mit dem Knall des Schusses, schon im selben Moment, brach der Kunde zwischen den Damen mit einem Stöhnen zusammen.

Der Angreifer sprach kein Wort, Clara sah seine Augen die ihr, zu ihrer Überraschung, irgendwie bekannt vorkamen, jedoch halb von der Schirmkappe die er trug, verborgen waren. Dann wandte er sich um und verließen so gelassen die Bar, wie er erschienen war. Natürlich schrien die Nutten und schließlich der gesamte Raum, wie wild durcheinander.

Am nächsten Tag stand in der Zeitung, das das Opfer sofort tot und ein stadtbekannter, Baulöwe gewesen sei.

Kapitel 2 : Lenny

Lenny saß im Café und betrachtet nachdenklich die vorbei laufenden Menschen durch die Linse seiner Kamera. Der Mord, lag nun zwei Wochen zurück.

Er hatte in der Zeit auch über das eigen Leben nachgedacht. Einerseits liebte er dieses bei sich selbst sein, andererseits hatte er es auch irgendwie verlernt. Als er noch jünger gewesen war und ein Teil seines Lebens, noch nicht in Scherben hinter ihm lag, war es anders gewesen. Damals hatte er noch die Geduld mit sich selbst gekannt. Was seltsam war, denn eigentlich sollte dies doch eine Kompetenz des Alters sein. Er hingegen, so kam es ihm vor, wurde im Alter immer ungeduldiger mit sich selbst.

Er konnte sich zwar wie jetzt auch, immer wieder konzentrieren und kurz zur Ruhe finden. Eine stete Unruhe, die aber auch in seiner Jugend schon in ihm angelegt gewesen war, das wusste er, wuchs. Vielleicht hatte es aber auch mit der Anspannung in ihm zu tun, mit dem was geschehen war und mit dem was er hoffte was daraus entstand.

Er konnte darum auch nicht bei einem anderen Menschen lange bleiben, nur ihm eine Zeit lang wichtig sein. Der einzige Mensch der ihm wirklich etwas bedeutet, das war ihm irgendwann klar geworden, war er selbst.

Er bewunderte die Menschen, die so intensiv für andere fühlten und ob in Liebe oder Freundschaft, selbst in flüchtiger Bekanntschaft, sehr innig und herzlich sein konnten. Auch wenn er manchmal den Verdacht hatte, sie waren doch alle nur viel bessere Schauspieler als er.

Immerhin konnte er immer seine eigenen Gefühl ausdrücken, mit dem Körper oder mit Worten, gesprochen oder geschrieben, am besten aber noch durch seine Fotos. Vielleicht sogar besser wie andere und vielleicht würde dies mit dem neuen Projekt dass er plante auch endlich offenbar.

Mit Menschen ehrlich zu kommunizieren war das schwierigste was er sich nur vorstellen konnte, egal auf welcher Ebene und trotz aller Übung, die er inzwischen hatte. Er kannte in sich die Sehnsucht danach und fürchtete sich zugleich davor als Künstler missverstanden zu werden. Doch nun hatte er es angestoßen und es war Zeit auch weiter mutig zu sein,

Sich mitzuteilen und verstanden zu werden war wichtig. Doch nichts war schwerer als den Mut zu finden, seine Wahrnehmung öffentlich zu teilen.

Das bewies die aktuelle Weltlage und auch diese Seuche, die den Untergang der Menschheit gerade beschwor. Vermutlich würden sie bald die Cafés schließen.

Das erinnerte ihn an Clara und dass er ihr auch die Wahrheit schuldig war.

Er schlürfte den Kaffee und schaute jetzt aus seinen Gedanken heraus. Dort liefen Leute, Frauen, Männer mit eigenen Leben.

Er lachte leise in sich hinein, die Zunahme seiner eigenen Erfahrungen hatten ihn befähigt hineinsehen, in all ihre kleinen Leben und wenn es auch nur durch seine Kamera war,  … mit großen, manchmal bestimmt, sehr besonderen Geschichten, da war er sicher

Ein schlanke Frau, die er für eine Studentin hielt, ging vorbei, mit kurzen rötlichen Haaren, sie war hübsch, auf eine sehr individuelle Art, aber war sie wirklich Studentin?

Er wusste nichts über sie aber seine Gedanken erschufen ein Fantasie aus Beobachtung, ihr energischer Schritt, die zusammengekniffenen Lippen, sie war verärgert, vielleicht enttäuscht, lief sie vor etwas davon? Vor wem? War sie Teil eines Liebesdramas? Waren diese Gefühle echt oder nur eine Maske? Er machte ein schnelles Foto von ihr.

Doch schon war sie vorüber und ihre gemeinsame Geschichte würde erst später beginnen …

„Zuhause bleiben“

Las er auf einem Plakat, dem Café gegenüber.

Lenny ging nachhause.

Kapitel 3: Linn

Sie hieß Linn und war keine Studentin, er war ihr einige Tagen vor dem Lockdown, als er sie erneut gesehen hatte, nach gegangen und hatte sie in einem der schönen Schmuckläden auf der Bernstraße, angesprochen. Warum sie diesen Stein auswählte und nicht einen anderen?

Sie waren zusammen in einem Café gelandet und schließlich in seinem Bett. Und die körperliche Nähe mit ihr erdete ihn enorm. Was er auch jetzt, als sie zwei Tage später vor seiner Tür stand, wieder spürte, durch ihren Kuss und mehr noch durch ihr warmes Lächeln, ihre Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit zugleich. Das faszinierte ihn am meisten an ihr. Sie blieb sich treu, hatte er den Eindruck und ließ sich nicht so leicht in einen Abgrund reißen, wie es vielen erging in dieser Zeit, wo eine düsteren Stimmung, die Welt ergriffen hatte.

Wie er inzwischen wusste, war sie Polizistin, was er fast nicht glauben konnte, denn es passte zwar zu ihr, aber irgendwie auch nicht. Insgesamt aber war sie, die pure Energie, obwohl sie ihn nun, die nächsten Tage von der eigenen etwas ablenken sollte.

Er machte natürlich auch weitere Bilder von ihr und sie waren eine sehr gelungene Studie der menschlichen Ernsthaftigkeit, wie er fand. Er verriet ihr schließlich auch sein geplantes Projekt, zumindest erstmal die offizielle Seite, denn er wusste fast sofort, er wollte auch sie dabei haben.

Die großen Fragen die dahinter standen, bewegte sie beide und verband sie schnell noch mehr als das Körperliche. Denn auch für sie lag die Antwort darin, was machte man sinnvolles aus seinem Leben, seinem Beruf, seiner Berufung und was konnte die Gesellschaft daraus lernen.

Kunst existierte im freien Raum und das bedeutete heutzutage, im Netz. Das Netz war aktuell der wichtigste Zuhörer und diese Situation erschuf hier auch zugleich neue Möglichkeiten. Aber trotzdem wollte er sich treu bleiben. Es musste etwas sein, was man auch berühren konnte.

Zudem war er natürlich nicht alleine so oder ähnlich unterwegs und er wollte nicht in der Maße des Netzes untergehen. Er wollte die Balance finden zum echten Leben und zur Liebe zwischen den Menschen. Linn sah es genauso, sie stand pragmatisch und zugleich fordernd im Leben und wollte sich im Kopf keine Grenzen setzen lassen.

Die Menschen zu lieben lernen war das schwierigste, was man erfahren und bewältigen musste. Das auch als Polizistin noch zu können, das war eine genauso große Kunst, wie seine. Immer wieder war er selbst daran gescheitert, weil ihn die so oft naive Dummheit, die er wahrnahm zur Verzweiflung trieb.

Warum konnten gleiche Wesen nicht immer auf Augenhöhe miteinander reden oder sich gleich verstehen? Was war das für eine Biologie, die uns erschuf, für den ewigen Kampf gegeneinander?

In den nächsten Tages kam Linn oft und sie liebten sich fast immer. Aber danach lauschte er ihrer Sicht der Welt. Denn sie war ihm wichtig.

Welchen Plan gab es, das war die endgültige Frage, für die Zukunft? Die eigene und die der Menschheit.

War vielleicht das eigene Leben, die Zeit mit sich und seinen Gedanken, dass einzige was wichtig war. Dachte jeder nur an sich selbst, wurde doch an jeden gedacht. Doch nur bis Nichts mehr übrig war für die, die übrig blieben. Waren daher die unberechenbaren Zufälle des Lebens alleine unser Schicksal?

Würde er jetzt endlich den Mut haben die richtigen Dinge auch zu tun und nicht nur darüber nachzudenken? Aber was hieß hier nur? Menschen die wie die Ameisen funktionierten und zugleich trotzdem ganz unorganisiert, ihren wirren Gedanken folgten um satt oder zufrieden zu sein, welchen Wert erwarben sie im Leben, außer der bloßen Existenz.

Keinen. Das war traurig aber wahr, auch wenn andere Propheten vehement etwas anderes verkündeten. Der Einzelne war ein Zufallsprodukt und daher nicht wichtig, aber die Maße war es ebenso wenig. Wir finden unsere Selbstdefinition nur im Spiegel, genau wie die Götter, die wenn sie denn existierten, nur immer ein Spiegel unserer selbst sein werden.

„Du musst es machen.“ und „Laß uns raus gehen Lenny“, sagte sie.

„Obwohl wir nicht sollen?“ Antwortete er.

„Nur ein bisschen, nur wir zwei, das ist erlaubt.“ War ihre Antwort.

„Ja, Frau Kommissarin“, sagte er und lächelte. „Lass uns schauen ob wir Clara finden“.

Linn nickte. Denn er hatte ihr die Geschichte mit Clara schon längst erzählt und dass er auch sie liebte.

Kapitel 4: Die Kommissarin

Dass sie etwas mit einem Zeugen hatte, war Linn erst später klar geworden, die Akte kam erst nach dem Akt auf ihren Schreibtisch, weil ein Kollege krank geworden war. Die Seuche war eben noch nicht vorüber. In ihrer Hochphase wäre das Verbrechen auch vielleicht nicht geschehen. Zumindest nicht in einer Bar.

Was vermutlich dahinter Steckte war natürlich schmutziges Geld, wie fast immer, aber sonst lagen die Motive ziemlich im Dunkel. Warum musste der Bauunternehmer, Hans Becker war sein Name, sterben? Die Zeugen waren verhört worden, natürlich, aber hatten damals nicht viel zur Aufklärung beisteuern können. Aber nun dachte sie anders, denn Lenny hatte ihr erzählt, dass er seine Kamera immer dabei hatte und als sie ihm dann fragte, war er ihr irgendwie ausgewichen und hatte lieber über sein Ausstellungsprojekt gesprochen und dass er sie als Polizistin auch gerne dabei hätte.

Kurz danach hatte sie auch Clara kennengelernt und auch wenn es natürlich eine sehr ungewöhnliche Situation war, zwei Zeugen privat zu begegnen, war es auch eine Chance und zudem beschäftigte sie noch eine andere Sache. Sie war zwar noch jung, aber das Milieu in das Clara und so viele Frauen hineingerieten, war ihr ein Anliegen, sie wollte mehr von diesem dunklen Teil der Gesellschaft verstehen, in dem vor allem junge Frauen wie sie, zu Opfern wurden und nicht nur auf der Seite des Gesetzes agieren sondern mit den Menschen.

Alles war verwoben, wenn man sich aufeinander einließ, konnte man vielleicht die Verrücktheit der Menschen besser beleuchten die ja gerade in der Pandemie so offen zutage getreten war.

Sie musste darum beide noch einmal vorladen, um den ersten Bericht ihres kranken Kollegen zu überprüfen. Jeden Moment würden sie kommen.

Lenny war positiv verrückt, dachte sie, als er ihr kurz darauf offiziell gegenüber saß und lächelte ihn an. Nicht nur in seinen Bildern aber mit dem darüber einsetzenden Erfolg, könnte man ihn auch größenwahnsinnig nennen. Das war es vermutlich was die Frauen, sie eingeschlossen an ihm so faszinierte. Denn als Mann, hielt sich seine Attraktivität in Grenzen. Es war die Ausstrahlung die er hatte und vor allem seine Stimme.

Mit dieser Stimme sagte er nun seelenruhig: „Ich habe tatsächlich Fotos gemacht, an diesem Abend. Der Täter ist darauf.“ Linn holte hörbar Luft. Er zuckte mit den Schultern, „aber ich habe sie ja auch deinem Kollegen beschrieben und er war maskiert, da ist nichts anderes zu sehen, auf den Bildern.“ „Es geht manchmal schon um die kleinsten Hinweise,“ antwortete sie. Lenny nickte. „Du kannst sie haben, ich hätte sie gerne verwendet irgendwann, für eine Fotostudie des Verbrechens vielleicht,“ sagte er grinsend, „aber ich sehe ein, dass das eine dumme Idee war, sie nicht gleich zu erwähnen.“

Nachdem sie seine Aussage noch einmal protokolliert hatte, verabschiedeten sie sich, nicht ohne das Linn, Lenny versicherte, für die geplanten Aufnahmen von ihr, für das Projekt, in zwei Tagen vorbei zu kommen. Als er ging stand Clara vor der Bürotür. Sie umarmten sich. „Wir sehen uns nachher.“ Clara nickte.

Der Fall war aufwühlend auch jetzt noch, aber mehr noch hatte sie Lennys Einladung in den Bann gezogen, Teil seines Projektes zu sein, mit vielen anderen Menschen aus der Stadt auf einer großen Collage, Mensch und Kunst zugleich. Es war so gewagt wie neu, Polizistin und Hure auf einem Bild. Sie wusste dass es Clara genauso ging und dass verband sie auf eine ganz neue Art. Sie wären sonst niemals auf dieser Ebene zusammen gekommen.

Claras Verhör brachte für Linn leider nichts neues aber am Nachmittag trafen sie sich im Café Lieson und kamen sich darüber noch näher. Linn wollte Clara vor allem auch helfen endlich einen andere Arbeit zu finden, aber Clara überraschte sie mit ihrer guten Stimmung. Lenny habe sich schon darum gekümmert, sagte sie. Seine Fotos von ihr im Bett waren tatsächlich von einer Werbeagentur aufgekauft worden und diese hatte Clara nun als Model in ihre Datei aufgenommen.

Seit der letzten Woche hatte sie dann zahlreiche Anfragen bekommen. Linn staunte, wie manchmal ein einziger Glücksfall ein Leben verändern konnte, dass doch in einer Sackgasse festgefahren schien. Irgendwie hatte sie dabei das Gefühl, auch selbst gerade eine Sackgasse zu verlassen. „Wo wohnst du?“ fragte sie Clara schließlich und diese lächelte. „Lenny hat ein zweites Atelier gemietet, im BayenTower, vorerst wohne ich dort. Bis ich was eigenes habe, aber er ist nett zu mir.“ Linn verspürte einen leichten Stich im Herzen, was sie nicht verwunderte, dann nickte sie und lächelte zurück.

„Wir sehen uns zu den Aufnahmen, ich glaube die sind auch im neuen Studio.“ Clara nickte. „Was ist mit dem Fall, werdet ihr raus bekommen, wer dahinter steckt?“ Linn schüttelte den Kopf. „Leider gibt es noch keine neuen Hinweise, aber ich werde mir Lennys Fotos nachher noch ansehen. Es scheint eine größere Sache zu sein, der Becker hatte vieles am Laufen, mehr darf ich dir aber nicht verraten. Hast du noch Alpträume von dem Abend?“ „Ich bin froh, wenn ich da raus bin.“ „Ja, das glaube ich.“ Sie umarmten sich und Linn ging mit gemischten Gefühlen zurück zum Revier. Irgendetwas was war seltsam an diesem Fall, aber sie konnte den Gedanken nicht richtig fassen, aber es lag an Lennys zurückhaltenden Reaktionen, im Verhör und auch sonst, als wenn er etwas wüsste, was er ihr noch nicht offenbaren dürfe.

Kapitel 5: Teo

Er wartet auf Lenny jetzt schon ein halbe Stunde, die Bilder interessierten ihn nur sehr wenig. Fotos waren in seinen Augen ein Medium, dass ihm dienen musste, Fotos auf denen er nicht darauf abgebildet war, interessierten ihn nicht.

Sein Leben war voll genug und doch hatte er Interesse verspürt, als der Fotograf ihm sagte, dass er ihn mit einer schönen Nutte fotografieren wolle, natürlich mit dem Fokus auf seinen Körper. Nicht nur das, das wäre banal gewesen, sondern eben mit jener Frau, der er im Flur zu Lennys Atelier damals kurz begegnet war und die er danach auch auf den Schwarz-Weiß Bildern, die Lenny von ihr im Schlaf gemacht hatte, bewundern durfte. Das Projekt insgesamt war natürlich faszinierend und dass es Lenny offenbar gelungen war, hier im größten Museum der Stadt einen Raum dafür zu gewinnen, konnte ein weiteres Sprungbrett für ihn sein.

Er sah jetzt den Fotografen langsam auf sich zu kommen, geistesabwesend etwas auf dem Display seiner Kamera betrachtend.

Lenny blickte auf, als er ihn erreichte. „Hast du den Raum schon gesehen`?“ Teo schüttelte den Kopf. „Es ist der große, im mittleren Flügel, wir bekommen ihn ganz. Bei der Collage werden 25 Menschen sich die Hände reichen.“ Teo nickte. „Warum ich?“ Lenny zuckte mit den Schultern und grinste mit einem Augenzwinkern. „Ich brauche ein bekanntes Gesicht als Zugpferd und dich kennen viele eben von den Werbeplakaten, die überall in der Stadt hängen.“

Er legte den Kopf schief. „Außerdem brauche ich dich für die Kampagne danach. Du kannst dich gut verkaufen.“ Teo fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Meinst du nicht, das wird ein riesen Skandal? Vielleicht kann ich mich danach nirgends mehr blicken lassen?“ Lenny grinste. „Das ist unser aller Risiko. Aber darum geht es ja gerade.“

Sie waren während des kurzen Wortwechsels zum beschriebenen Raum gelangt, der gerade voller langweiliger Landschaftsbilder hing. „Die Collage wird nackt sein?“ Wollte Teo wissen. „Ja, egal wer wir in der Gesellschaft sind, welche Körperform, Hautfarben, Haarfarben, welches Geschlecht, es macht uns gleicher und zeigt doch die individuelle Verschiedenheit. Ihr überwindet dann den verbleibenden Abstand zwischen euch, durch das reichen der Hände.“ Teo nickte langsam.

Während sie nun schweigend die Wand betrachteten, kam eine leicht korpulente Person durch den Raum auf sie zu. „Herr Frank?“ Lenny wandte sich dem Mann, Anfang 60 zu. „Ja.“ „Ich bin Dr. Klaus Brenner, der Museumsdirektor. Wir wollten über die Details der Ausstellung sprechen.“ Lenny stellte Leon kurz vor, obwohl das nicht wirklich notwendig war und musterte dann Brenners Gesicht etwas genauer. In der Stimme hatte er einen Anflug von Besorgnis gehört, den er nun gedachte zu vertreiben. Brenner zeigte zur Wand. „Sie werden nur ein einziges Bild ausstellen, ist das richtig?“ „Ja, das Publikum soll seine Aufmerksamkeit ganz auf eine Sache richten.“ Brenner räusperte sich. „Und, alle abgebildeten Personen sind nackt?“ Das Zittern in der Stimme des Direktors hatte zugenommen, registrierte Lenny und aus den Augenwinkel sah er zugleich, Teos leicht belustigten Gesichtsausdruck.

„Ja, wir haben noch nicht alle Personen ausgewählt, möchten sie vielleicht mit aufs Bild?“ Brenner zuckte merklich zusammen. „Nein, nein, ich wollte nur die Details klären mit ihnen. Die Auswahl der Menschen beschränkt sich auf diese Stadt?“ „Ja, es geht um die Widererkennung, wissen sie, vielleicht nicht persönlich Bekannter, aber von Menschen, denen man irgendwo hier doch schon mal begegnet sein könnte.“ Brenner biss sich auf die Lippen. „Bei der Vernissage wird es lebendig, sie werden sehen.“

Als sie das Gespräch mit dem Direktor beendet hatten und Teo und Lenny zusammen zum Ausgang gingen, sagte Teo: „Es wird wegen der noch geltenden Abstandsregeln Proteste geben.“ „Hoffentlich,“ antwortete Lenny, „Kunst braucht den Skandal.“ Teo nickte. „Ich verstehe langsam dass es wirklich etwas Großes werden könnte.“ Lenny lächelte. „Noch sind wir nicht so weit, es ist noch viel Arbeit. Du könntest mir helfen, in dem du die Anfragen auf Insta für mich durchschaust. Wir brauchen noch ungefähr 5 Frauen und 4 Männer.“ Teo nickte. „Das mache ich gerne. Stehen die Shooting Termine mit drin?“ Lenny nickte. „Nur zwei, es muss alles passen, die Eröffnung ist schon am 1., also haben wir nur noch drei Wochen.“

Sie verabschiedeten sich vor der Tür knapp und Lenny überlegte kurz, ob er direkt zum neuen Studio gehen sollte oder erst zu Maya in die Buchhandlung. Er entschied sich für Letzteres.

Kapitel 6: Maya

Lenny betrachtet lächelnd wie Maya, wie immer sehr engagiert, eine Kundin beriet, bis diese mit einem Buch den Laden verließ, dass sie, wie er mit einem Schmunzeln registrierte, eigentlich nicht hatte kaufen wollen. Nicht selten erging es ihm selbst so, wenn er mal Zeit in Mayas Laden verbrachte. Als sie fertig war, konnten sie ihr Gespräch, das sie vor dem Eintreten der Kundin begonnen hatten, fortsetzen. „Warum sollte ich mich ausziehen?“ „Ich möchte dich unbedingt dabei haben,“ sagte er lächelnd, du hast deine Überzeugung auf die Haut geschrieben. Wie willst du sonst ein offenes Buch sein?“ Er lächelte, weil er wusste sie damit zu kriegen.

Maya verzog aber noch widerstrebend das Gesicht. „Du willst mich schon seit Jahren dazu überreden Akt Modell für dich zu sein. Ich sehe nicht warum ich diesmal nachgeben sollte.“ Er strahlte sie an. „Weil du weißt, dass es diesmal um etwas geht, was dir auch wichtig ist und weil es die Gelegenheit ist, es ganz groß in die Welt zu schreiben, endlich Teil einer Botschaft zu sein.“ Maya lachte. „Vielleicht. Ich überleg es mir.“ Lenny nickte, aber er sah es ihrem Gesicht an, das so markant mit dem Nasenring verstärkt wurde, dass er sie schon so gut wie überzeugt hatte. Er winkte ihr noch kurz, dann verließ er den Laden, in zufriedener Stimmung.

Doch sie verflog augenblicklich, als er um die nächste Ecke bog, mit dem Ziel Johanniter Kirche. Im Park davor wollte er sich eigentlich ein paar Joints besorgen, doch dort hatten einige Pandemiegegner ein Camp aufgeschlagen und alle Dealer echter Drogen, offenbar vertrieben. Missmutig eilte er zur S-Bahn und fuhr zurück zum Studio. Er musste sowieso noch die neuen Fotos mit Clara machen, für die Kampagne in der Galant. Das würde ihr zum Durchbruch verhelfen. Ein weiteres gutes Gefühl. Er dachte kurz an Linn. Frauen waren teil seines Lebens. Schöne Frauen, aber immer nicht nur äußerlich, sondern in der Seele. Bei Linn aber war es noch irgendetwas anderes. Vielleicht ihre besondere Intelligenz?

Maya dachte, während sie, mehrere Kunden ohne sie anzusprechen, kommen und gehen ließ, intensiv über Lennys Wunsch nach. Sie verstand dass die Aktion besonders und groß werden konnte, es ging darum über das Bild, die Körper, die Geste der Hände die sich hielten, etwas auszudrücken und etwas auszulösen. Sie liebte diese Verbindung, die Worte schaffen konnten und sie liebte den Gedanke, den ihr Lenny außerdem nahe gelegt hatte, den Ausstellungskatalog dazu herauszugeben. Nur, wollte sie wirklich selbst mit ins Bild? Das war nicht so leicht zu entscheiden. Sie war nicht prüde, aber diese Öffentlichkeit war etwas anderes, insbesondere wenn es ein Erfolg werden sollte oder ein Desaster. Es bedurfte für beides großen Mut.

Ihre Frau, Ten kam herein und sofort verflogen die wenigen Gedankenwolken, als sie ihr strahlendes Lächeln sah. Im selben Moment kam ihr eine Idee und sie wunderte sich, warum ihr das nicht schon viel früher eingefallen war. Ten kam näher und ihre Zunge spielte zur Begrüßung etwas anzüglich über ihre vollen Lippen. Maya spürte sofort wieder Anziehungskraft, die zwischen ihnen immer entstand. „Wollen wir essen gehen?“ Sagte die zierliche Halbchinesin. „Ja,“ antwortete Maya „und ich habe einen wunderbaren Vorschlag.“ Ten runzelte die Stirn, aber folgte ihrer Frau ohne nachzufragen, als diese entschlossen zur Tür ging und sie abschloss. Dann drehte sie sich zu Ten um und küsste sie auf den Mund. „Wir machen Kunst.“

Als Lenny das Studio betrat, saß Clara scheinbar gelangweilt am Fenster und schaute auf die Stadt hinunter. Da es im 14. Stock lag, war das eine ansprechende Aussicht, die einen auch schon Mal gefangen nehmen konnte. Ihre Haltung war perfekt, dachte Lenny beim eintreten. „Beweg dich nicht, ich hole nur schnell meine Kamera.“ Clara tat wie geheißen. Sagte aber: „Wo warst du so lange?“ Lenny antwortet nicht, kam aber kurz darauf aus dem anderen Zimmer wieder. „Dieses Bild würde das Titelmotiv, die Schöne über der Stadt.“ „Sie werden hinter meine Geschichte kommen.“ Lenny verzog das Gesicht, während er gewohnt professionell den Auslöser bediente. „Und wenn schon, dass macht sie eher noch wunderbarer. Du bist, was du immer warst, Clara Wunderbar.“

Sie schürzte die Lippen, was einen entsetzten Ausruf Lennys zur Folge hatte. „Nicht!“ „Das ist nicht mein wirklicher Name.“ „Gut so, aber er ist deine Marke.“ Er machte noch weitere Bilder und sie hielt still. „Kommt Teo heute?“ Lenny lächelte wissend, setzte die Kamera ab, kam zum Fenster und zündete sich eine Zigarette an. „Ja, wir müssen doch die Kussszene machen.“ Er lächelte. „Du magst ihn, umso besser.“ Clara seufzte. „Wieso klingt das bei dir immer so einfach.“ „Liebe ist einfach, Baby, wenn man es zulässt.“ Clara blickte ihm in die Augen. „Stimmt und doch ist sie auch kompliziert, man kann daran nicht viel machen. Ich sehe doch, dass es dir genauso mit Linn geht und wenn ich es dir verraten darf, ihr geht es auch so. Also vermassele es nicht.“ Er hob abwehrend die Hände. „Ich bin ganz gut im Vermasseln, daran kann ich nicht viel machen.“ Sie lachten beide.

Kapitel 7: Kunst & Liebe

Ein Leben hinter sich zu lassen ist fast unmöglich. Ein Neues zu wagen braucht den Glauben an sich selbst. Wenn man so viel gescheitert ist und Selbstvertrauen verloren hat, wie es Clara in den Jahren seit ihrer Kindheit widerfahren war, ist es eigentlich kaum zu schaffen.

Sie musste darum viel darüber nachdenken in ihrem neuen Zuhause und es fiel ihr schwer sich dabei auf das zu konzentrieren was um sich so rasant veränderte. So viel war passiert, was man kaum glauben konnte. Dabei hatte Lenny sie zu nichts gezwungen. Er hatte ihr ein Angebot und keine Vorwürfe gemacht oder ihre Schuldgefühle verstärkt. Dass war wahrscheinlich der Schlüssel.

Sie war fast am Abgrund gewesen, da hatte er ihr die Hand gereicht. Aber es lag auch ein bisschen an ihr selbst, das wusste sie. Sie hatte Stärke in sich, nur darum hatte sie überhaupt überlebt und das war die Voraussetzung für alles. Jetzt gab es Kunst und Liebe in ihrem Leben. Eine Liebe, die nicht nur körperlich war, das vielleicht auch, aber viel mehr war sie ehrlich. Lenny liebte viele, aber er liebte eben auch sie, auf eine sehr ehrliche Weise. Er liebte sie natürlich auch als Objekt seiner Kunst. Aber weil sie dieser Kunst auch gemeinsam eine Seele gaben, die sie miteinander hatten finden können, war es echt. Das spürte sie.

Genauso war es mit all die anderen Menschen, die er sammelte für seine Kunst und das Projekt, das er vor Augen hatte. Das war es, was sie ebenfalls faszinierte an ihm. Der Job, den ihr neues Leben ihr verschafft hatte war außerdem toll, aber es war auch eine ähnliche Art der Ausbeutung ihres Körpers, wie sie es zuvor schon kannte. Nur auf einem anderen Level. Die Kunst, die Lenny mit ihr und den anderen Menschen kreieren wollte, war dagegen etwas ganz anderes. Das spürte sie und das war es, was sie viel mehr noch, ihr neues Leben spüren ließ und damit ein Heilen mit sich selbst.

Allerdings gab es auch ein paar Dinge, die wie in allen Märchen so normal wie faszinierend zugleich sind und Dissonanzen erzeugten. Der Mord, der vor ihren Augen geschah, er verfolgte sie natürlich noch. Es hieß, der Bauunternehmer sei korrupt gewesen, aber waren dass erfolgreiche Menschen nicht alle, auf irgendeine Weise. Es gab überall Menschen die es verstanden sich Vorteile zu verschaffen und die welche ihn töten ließen, gehörten bestimmt auch dazu. Solche Dinge passierten in großen Städten. Aber es selbst mitzuerleben, war natürlich trotzdem etwas ganz anderes.

Die Polizistin Linn hatte ihr gesagt, dass sie schon viele solche Fälle erlebt habe und dass man es nie als normal empfinden dürfe. Aber wahr blieb auch, dass es Parallelwelten gab, wie die aus der sie selbst kam und dass es Schnittmengen zwischen der Welt der „normalen“ Bürger und dieser Schattenwelten gab und fast jeder damit, jederzeit in Berührung kommen konnte.

Lenny meinte dazu, es läge eben an den Mauern in den Köpfen. Die Mensch wollen sie ziehen, aber gleichzeitig immer wieder auch überwinden. Wir sind so gleich und doch so verschieden. Sein Projekt sollte eben genau das aufzeigen und dokumentieren. Er träumte sogar davon, dass es nachgemacht würde, überall in der Welt. Er war sicher, dass es nicht sofort etwas ändern konnte in den Köpfen, aber vielleicht auf lange Sicht. Das immerhin hatte man in der langen Menschheitsgeschichte schon beobachten können. Einige zumindest lernten und gaben es weiter. Es konnte ein Bewusstsein entstehen, aber zugleich überforderte das auch die Menschen immer wieder, das war das Problem. Vielen blieben lieber blind.

Darum brauchten sie Bilder die man nicht übersehen und verstehen konnte, wegen der Symbolik und die Einfachheit derselben. Texte waren oft zu intellektuell, wenn sie gut waren, aber natürlich auch selbst Kunst, aber Lenny arbeitet lieber mit Bildern und da lag auch sein größtes Talent, das war ganz offensichtlich, befand Clara. Wenn es ihm und das Gefühl hier auch ein Wir denken zu dürfen, verschaffte ihr eine ungeahnte Euphorie in der Seele, gelingen würde, war sie glücklich. Doch sie wusste auch, dass auch er gesehen werden musste. Dass sie ihm etwas zurück geben wollte. Auch wenn er ein Einzelkämpfer war.

Sie stand also vom Fensterbrett auf, ging auf ihn zu und küsste ihn. Lenny lächelte. „Du bist wunderbar, ich sag es immer wieder, doch es ist nicht nur eine Marke. Manchmal treffe ich ein Gefühl mit meinen Bildern, das einfach nach einem Wort schreit und deine Bilder drücken genau dieses Wort aus: wunderbar“ Clara spürte dass sie rot wurde. Sie lächelte zurück und küsste ihn noch einmal. „Wir sind wunderbar. Ich danke dir dafür.“ Er nickte. „Wir werden es noch mehr sein.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich glaube fest daran, aber zuerst ist es auch noch viel Arbeit.“

Einige Tage später begannen sie mit den Probeaufnahmen. Inzwischen waren genug Personen dabei, noch nicht alle, aber um das Bild zu gestalten, reichte es. Doch dann geschah erneut das Unvorhersehbare.

Kapitel 8: Hans

Reichtum macht nicht glücklich, aber er beruhigt. Allerdings kann er auch sehr beunruhigen. Er hatte im Leben Glück gehabt, aber auch nicht immer. Sein Aufstieg begründetet sich, wie der vieler, auf der Arbeit der Väter. Als Sohn hatte er davon nur profitiert, brauchte es nicht selbst zu erschaffen, das Imperium. Aber es zu erhalten war nicht weniger schwer, stellte sich sehr bald heraus.

Hans hatte als Kind im Überfluss gelebt, das machte ihn unsensibel für die wahren Nöte der Welt, er entwickelte nur einen untrüglichen Instinkt dafür was sich zu Geld machen ließ. Dafür härtete er sich ab, gegenüber den meisten anderen Gefühlen und Menschen. Er heiratete eine Frau, die so glaubte er, ganz ähnlich empfand und nicht nur, aber auch die materiellen Vorteil in einer Verbindung mit ihm sah. Er hatte Mitarbeiter die sich duckten, Freunde die eine Schleimspur hinterließen, neben ihm. Lange durchschaute er das nicht, erst kurz vor seinem Tod, war es ihm klar geworden.

Als der Künstler in seinem Büro erschienen war, vor drei Monaten etwa, hatte er es nicht sofort verstanden. Warum sollte er ein solches Projekt finanzieren und warum war Lennhard Frank überhaupt zu ihm gekommen dafür. Als Mezän für Kunst aufzutreten gehörte zwar zu seiner Fassade, aber eigentlich nicht die Förderung unbekannter Künstler. Damit war kein Staat zu machen. Das Verrückte dabei war, dass Frank nicht darum bat, nur Geld zu bekommen, sondern ihn aufforderte sein Leben zu ändern.

Das hatten schon viele versucht, Gewerkschaftsbosse, unzufriedene Mieter, anstrengende Umweltschützer und nicht zuletzt, seine Tochter, die sich von ihm abgewandt hatte. Niemandem war es bisher gelungen, dass er mehr als einige Sekunden über sein Tun nachdachte. Auch nicht sein eigenes Gewissen, als er begonnen hatte Geld aus illegalen Geschäften zu waschen. Aber Frank gelang es mit einem Satz: Möchten sie im Leben einmal wirklich geliebt werden?

Nicht sofort. Zunächst hatte er ihm unmissverständlich eine Absage erteilt, aber als er in der Nacht danach darüber nachdachte, wurde ihm etwas bewusst. Er war auch nur ein Mensch und Menschen konnten über Dinge zweimal nachdenken. War er wirklich glücklich? Nein. In diesem Moment aber vielleicht zum ersten Mal ehrlich zu sich selbst. Er stand auf, goss sich an der Minibar seines Penthouses einen Whisky ein und rief seinen Bankier mitten in der Nacht an.

An den Tagen danach, stieß Becker Immobilien einige fragwürdige Aktien ab, zog sich aus umstrittenen Bauprojekten zurück, trotz drohender, immenser Regresskosten und überwies eine hohe Summe an einen unbekannten Künstler.

Natürlich schlug dies hohe Wellen und zwar auch privat. Seine Frau verließ ihn. Wenn er darüber nachdachte, musste er fast lachen. Irgendwie hatte er es vorausgesehen und wollte es trotzdem nicht verhindern.

Welch Ironie, dass Frank scheinbar zufällig, nein vermutlich nicht, ebenfalls im Caramba war, als er sich über den Verlust trösten wollte. Er würde alles in Bildern festhalten. Er war sehr gespannt darauf und auf sich selbst, in dieser Rolle. Menschen hatten verschiedene Gesichter, wenn sie sich in verschiedenen Umgebungen bewegten, das wusste er am besten.

Diese Schauspiel war bereits ein Kunstwerk, Teil einer immer künstlichen Welt, die wir uns erschaffen, aber manchmal können wir sie dann doch auch verändern, wenn wir derer bewusst werden und es wirklich wollen.

Später würden es alle erfahren und vielleicht würde man ihn dafür postum lieben.

Er lächelte, es gab viele Wege zu sterben und wieder aufzuerstehen.

Kapitel 9: Das Projekt

Als ihm klar wurde, dass Hans Becker tatsächlich das Opfer spielen wollte, war er kurz in Panik geraten und nicht nur, wegen des Todes seines Unterstützers selbst, auch wegen des Projektes an sich. Obwohl es sein eigener Plan gewesen war, war es doch irgendwie Irrsinn. Warum es ihm aber gelungen war diesen Mann davon zu überzeugen, war ihm inzwischen aufgegangen.

Man musste die Menschen nur besser kennenlernen. Becker war vielleicht fasziniert, genau wie er von der Kunst, von dem Projekt und hatte all seine Prinzipien oder eigentlich fehlenden Prinzipien über Bord geworfen um damit, wie er selbst, sein Leben ganz plötzlich verändern. Das wollten also auch die Bösen, wenn man ihnen eine neue Chance bot. Denn böse oder schlecht, waren nur die andere Seite der Medaille eines jeden Lebens. Genau darum ging es.

Becker starb also, wurde dadurch aber zugleich unsterblich. Dem Projekt hing damit im selben Moment etwas an, was dass „Schlechte“ zum „Guten“ wandeln konnte. In allem was Menschen taten oder unterließen lag immer diese Balance. Auch das Projekt konnte daran wachsen oder scheitern. Er wollte beides nicht in absoluter Konsequenz, aber das war das Risiko und die Unschuld der Idee war damit auch dahin. Wenn die Polizei den möglichen Zusammenhang entdeckte oder sonst wer? Zum Beispiel, irgendein Journalist? Aber er dachte, vermutlich hatte auch Becker das mit im Sinn gehabt.

Er wusste von einigen Treffen, dass der Baulöwe wegen seines Projektes, schon viel verändert hatte in seinem Leben, aber eben auch Dinge sich um ihn veränderten dadurch. Er hatte ihm erzählt, dass es politischen Widerstand gegen das Projekt gäbe. Dass er fürchtet sein Einfluss reiche dann nicht mehr aus. Aber dass er unbedingt wolle, dass sein Name mit der Wirkung, die Lenny sich erhoffte, später in Verbindung gebracht würde. Lenny verstand es, spätestens als er ihm in die Augen sah, bevor der Schuss fielen.

Trotzdem war es auch jetzt immer noch wie ein Theaterstück, dass er hasste und liebte zugleich. Der Direktor des städtischen Museums stimmte erst danach zu. Die öffentliche Meinung war gekippt. Das Vermächtnis des angesehenen Bürgers, denn diese Fassade hatte Becker immer gewahrt, hatte durch seinen Tod, der nur kurz irritierend war, weil unglaubwürdig, nicht gelitten. Becker hatte es natürlich vorausgesehen. Als er ihn nach seinem Tod anrief, war ihm alles klar.

Wenn er nun selbst Teil der Collage würde, auferstanden von den Toten, würde es eine nie dagewesenen Sensation sein und genau das brauchte das Projekt. Aber trotzdem war das Risiko groß, ohne Linn hätten sie das nicht so inszenieren können und sie riskierte ihren Job, vermutlich nur aus Liebe zu ihm. Aber Liebe war das Motiv, bei jedem Tod und musste auch für die Kunst immer herhalten. Wenn sie nicht im Spiel war, konnte man es gleich lassen.

Darum hatte er diesen Plan gefasst, auch wenn er inzwischen ahnte, das Spiel längst nicht mehr in der Hand zu haben. War er doch zugleich fasziniert davon, dass es ihm mehr, als er es für möglich gehalten hatte, gelungen war auch andere Menschen damit zu faszinieren. Das gab ihm irgendwie auch den Glauben an die Menschheit zurück.

Es klingelte und er öffnete die Studiotür. Teo stand davor. „Hey, sind wir im Zeitplan?“ Lenny musste lachen. „Wenn du mal die Finger von Clara lassen kannst.“ Teo trat ein und machte eine umarmenden Handbewegung. „Fällt mir schwer, muss ich zugeben. Das Projekt bringt Menschen zusammen, die sich sonst nie kennengelernt hätten, wolltest du das nicht so?“ Lenny schürzte die Lippen. „Schon, aber es wird mir zugegeben auch langsam unheimlich. Warst du bei unserem Toten?“ Teo nickte. „Er ist quicklebendig und freut sich vor allem auf das Gesicht seiner Ex, die gerade verzweifelt versucht, sich mit ihren Anwälten, sein Vermögen unter den Nagel zu reißen.“

Lenny machte eine nachdenkliche Mine. „Die Gerichtstermine sind aber alle nach der Ausstellungseröffnung?“ „Ja und Linn hält den Deckel auf die polizeilichen Ermittlungen, was glaube ich noch schwieriger ist. Das Stadtblatt, sitzt ihr im Nacken.“ Sie gingen in den hinteren Teil des Studios, wo die Kameras und alles weitere bereits vorbereitet war. „Wann bringst du Hans her?“ Teo schnalze mit die Lippen. „Das fragte er mich auch dauernd.“ Lenny lachte. „Morgen, kurz vor der zweiten Probe. Da müssen alle dabei sein.“ Meinte er streng.

Kapitel 10: Sex & Crime

Linn wusste dass sie ein großes Risiko einging, aber dabei ging es ihr nicht nur um ihre Gefühle für Lenny. Das wäre fatal gewesen. Es ging ihr um die Aussage dahinter. Als Polizistin hatte sie Einblick in die dunkle Seele der Menschen. Die gab es in jedem, nicht nur in denen, die kriminell geworden waren. Auch in den Seelen ihrer Kollegen und Kolleginnen stimmte oft etwas nicht.

Es war so, wie in manchen Krimis es der Plot verlangte. Es musste immer ein schwarzes Schaf in den eigenen Reihen geben. Leider gab es in Wirklichkeit oft mehr als eines oder zumindest viele graue Schafe. Was nicht weniger harmlos war. Sie kannte diese Seiten auch in sich selbst. Sie war Polizistin geworden aus vielen Gründen. Banalen, wie ihrer Liebe zur Uniform oder dem Schießen, aber auch fragwürdigen. Sie hatte eine Ader zu Recht und Ordnung, was aber auch unterbewusst bedeutete, dass man Menschen die eine andere Einstellung dazu hatten, das nicht so genau nahmen mit dem Gesetz, eine andere Kultur oder Sozialisation hatten, nicht so gerne mochte und dabei immer an der Kannte der Intoleranz balancierte.

Und je mehr man aber über den Beruf, gerade mit extremen Beispielen dieser Dinge, die man selbst nicht mochte, konfrontiert wurde, desto schwerer war es hier objektiv zu bleiben. Das gelang nicht wenigen Kolleginnen und Kollegen, unverhohlen nicht und es gab viel zu wenig Möglichkeiten oder auch Zeit, das psychologisch zu betrachten und aufzuarbeiten. Ganz abgesehen davon, dass man erst einmal ein Bewusstsein dafür haben musste und wollte, hier Hilfe zu benötigen.

Gerechtigkeit aber war der wichtigste Grund für sie gewesen zur Polizei zu gehen, sie hasste es wenn es ihr selbst in der Arbeit nicht gelang oder sie Kolleginnen oder Kollegen dabei zusah, wie sie bewusst mit zweierlei Maß maßen. All das passierte in der Gesellschaft natürlich dauernd und auch in der Politik, hier waren Polizisten nur ein Spiegel. Aber ihr persönlicher Anspruch war stets ein anderer gewesen. Darum tat sie es. Darum liebte sie Lenny fast mehr als nur für den guten Sex, den sie hatten. Das Projekt selbst war noch mehr, sexy und wichtig! Es war es wert, die Wahrheit zumindest eine Zeit lang zurückzuhalten.

Die Bürotür, die ohnehin verglast war, so dass sie ihn bereits hatte kommen sehen, öffnete sich und Salber kam herein ohne zu klopfen, was sie doch etwas überraschte. Ihr Vorgesetzter hatte eine besorgte Mine aufgesetzt und warf ihr als erstes einen gehetzten Blick zu. „Wir müssen reden,“ meinte er und setzte sich in den Stuhl vor ihr. „Das TAB macht Druck, haben sie den Artikel heute morgen gelesen?“ Linn hatte es getan und wusste was er meine, in der Online Ausgabe waren sie sogar noch weiter gegangen, insbesondere in den Antworten der Redaktion auf die Leser*innen-Kommentare.

Sie nahm die Akte zur Hand und zeigte darauf. „Ich bin dran, aber wenn wir zu früh etwas preis geben, werden die Verdächtigen vielleicht auch noch die letzten Spuren verwischen.“ Kurz überlegte sie ob sie Salber einweihen sollte, aber verwarf den Gedanken rasch. Er war ein Karrierehengst, der in dieser Sache nicht vertrauenswürdig sein würde, wenn er einen eigenen Vorteil witterte. Es würde schlimm genug werden danach.

Trotzdem brauchte sie auch Verbündete und dachte dabei schon länger an ihre oberste Chefin. Die Leiterin des gesamten städtischen Polizeireviers, Dr. Miriam Kreiser, war integer und sie würde ihre Beweggründe verstehen. Nur konnte sie sie auch nicht wirklich decken, das war ihr klar. Zu Salber gewannt meinte sie: „Noch bis nach dem Wochenende, ich hab Ulm und Petrov daran gesetzt. Am Montag geben wir eine Pressekonferenz.“ Innerlich musste sie lachen, denn die würde ganz anders ausfallen, als sie Salber und alle, erwarten würden. Salber gab sich etwas widerstrebend damit zufrieden, stand aber zu ihrer großen Erleichterung kommentarlos auf und ging.

Linn atmete tief durch. Sie hatte nicht vor ihre Kollegen in die Pfanne zu hauen, es ging ihr wie Lenny um die Symbolik. Das Projekt stand ja für Gleichheit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Es sollte die Augen öffnen. Aber vielleicht würde die Presse mehr daraus machen, auf jeden Fall das Internet und dem, dass war der gefährlichste Teil, musste man irgendwie, in die Richtigen Bahnen verhelfen. Aber das war nicht ihre Aufgabe, hier kam Teo ins Spiel. Sie sah darum rasch eine kleine Adressdatei auf ihrem Schreibtisch durch, bis sie die Visitenkarte des Reporters fand, den sie im Sinn hatte. Sie nickte stumm zu sich selbst. Dann griff sie zum Telefonhörer und rief Lenny an.

Kapitel 11: Ulm & Petrov

Teo kam aus dem Haus in der Freirathstraße. Es war das Haus seiner Mutter und auch die Wohnung. Er hatte sie vor einem halben Jahr geerbt und war ganz froh darum. Zwar hatte seine Model Karriere etwa zeitgleich Fahrt aufgenommen, aber dieser Ort erdete ihn irgendwie. Er wusste wie wenig gut er selbst mit Geld umgehen konnte, daher war es ganz nützlich, dass erst einmal auch nicht zwingend tun zu müssen.

Auf dem Weg zum Wagen bemerkte er zwei Männer, die seltsamerweise dort die Straßenseite wechselten, wo er es auch tat und in die gleiche Gasse abbogen, die eine Abkürzung zum Parkplatz war. Sie trugen für diese Gegend, eher unpassende Kleidung, sahen mehr wie gedoppelte Versicherungsvertreter aus, die aber eher selten so früh am Morgen unterwegs waren. Hier im Hafen Viertel konnten sich außerdem sowieso die wenigsten, Zusatzversicherungen leisten.

Lenny hatte angerufen und ihm den Namen des Reporters durchgegeben, den er treffen sollte. Der hatte den Namen wiederum von Linn, wie er sagte. Der Ort des Treffens musste geheim bleiben. Er blickte misstrauisch über die Schulter. Konnten die Verfolger auch Journalisten sein? Die Sache war doppelt heikel, da Becker in seiner Wohnung saß. Ob das irgendwer ahnte? Das war eigentlich unmöglich. Aber wer auch immer die Verfolger waren, er musste sie abschütteln.

Ulm blickte zu Petrov auf der anderen Straßenseite. Teo Faller war seit Kurzem in ihr Visier geraten, seit sie von der Vorgabe der Kommissarin abgewichen waren. Er konnte sich zwar nicht erklären, was da am Laufen sein könnte, aber irgendetwas war faul. Die Spur des Täters im Karamba führte eigentlich ins Nichts, was auch schon merkwürdig war. Bis dann Ulm zufällig entdeckt hatte, das die Beschreibung des Täters, ein wenig auf Faller passte, der überraschenderweise auch bei Hans Beckers Beerdigung anwesend gewesen war.

Petrov nickte seinem Kollegen zu, während er zugleich genau beobachtete, wie Faller zum Parkplatz hinüber ging. Wo sein Wagen stand wussten sie und hatten den eigenen in der Nähe platziert, sie konnten ihm also folgen, denn das Gefühl ließ ihn nicht los, dass die ganze Geschichte eine größere Inszenierung hatte, als sie zunächst dachten. Die Beerdigung war ihm auch bereits irgendwie unwirklich vorgekommen. Er kannte sich damit aus, er hatte in seiner rumänischen Heimat schon viele Beerdigungen erlebt. Sie waren echt, aber sie wurden dabei zelebriert, als wäre es nur eine Feier mit dem Toten, welcher wie man in seiner Gottes gefälligen Verwandtschaft sowieso annahm, wieder auferstand. In Deutschland war das meist viel nüchterner. Aber diese war tatsächlich anderes gewesen. Nur konnte er es nicht so richtig festmachen.

Teo erreichte den Wagen und stieg, vielleicht eine Spur zu hastig. ein. Er spürte, dass er nervös wurde. Wer sie auch immer waren, er musste sie abhängen. Er ließ den Motor an und fuhr rasant vom Parkplatz in Richtung Gustavallee. Zeitgleich löste sich, sicher nicht zufällig vom gegenüberliegenden Straßenrand ein Fahrzeug und fuhr hinter ihm her. Er sah es im Rückspiegel genau und seine Gedanken überschlugen sich. Er musste sie von Berger wegführen und zugleich nicht zu seinem Treffen mit dem Journalisten hin. Letzteres war aber wichtig, denn Max Velica, der für Radio Freiland online berichtete und zugleich für die UZ schrieb, hatte nur widerwillig dem Treffen zugestimmt, wie Lenny ihm gesagt hatte. Eine zweite Chance würde er also nicht bekommen.

Er hatte gegenüber Lenny auch geäußert, grundsätzlich misstrauisch bei Informanten, zu sein, die er nicht selbst ermittelt hatte. Wenn Teo das Treffen nicht einhalten konnte, wäre Velica wohl nicht mehr im Boot, aber den Influencer brauchten sie unbedingt. Teo trat aufs Gas und tauchte mit dem Wagen in den Stadttunnel ein. Es gab eine Abzweigung im Tunnel zur Weststadt, die eine zweite Gabelung beinhaltete, um über die Fluss Brücken zu kommen. Hier änderte man einmal komplett die Richtung und konnte vor der ersten Brücke noch einmal scharf abbiegen um zum Uferweg zu gelangen. Er atmete tief durch, denn er hatte jetzt einen Plan.

Petrov schnaubte und blickte den Kollegen fragend an. Ulm verstand was er meinte, schüttelte aber den Kopf. Da die Verfolgung nicht genehmigt war, wäre es nicht ratsam gewesen, das Blaulicht aufs Dach zu setzten, auch wenn sie dann vielleicht leichter dran bleiben konnten. Sie wussten ja noch nicht, wo das Ganze hinführen würde. Vielleicht war es ja erneut nur eine tote Spur. Aber sie hatten beide das Gefühl, dass es das nicht war.

Eine halbe Stunde später schlug Ulm wütend auf das Lenkrad, denn Faller war entwischt. Sie standen mit gefühlt, rauchendem Motor vor den Absperrungen der Uferpromenade, wo man nicht weiter fahren konnte. Von Fallers Wagen keine Spur, dabei war er doch vor der ersten Brücke abgebogen und es gab keinen anderen Weg zur Promenade. Petrov lehnte sich neben ihm im Sitz zurück. „Da waren die Brückenbogen sofort an der Abzweigung, er muss direkt rückwärts darunter gefahren sein“, murmelte er. Ulm nickte wie in Zeitlupe.

Als Teo das Café betrat, wollte Velica offenbar gerade zahlen. Er eilte zum Tisch und sagte: „Tut mir leid, ich wurde aufgehalten.“ Der etwa dreißigjährige Mann blickte ihm ernst in die Augen und bot ihm dann den Platz gegenüber an, während er eine entschuldigende Geste zur Bedienung machte, die am meisten von den neuen Umständen überrascht wurde. „Ich übernehme das später“, murmelte Leon ihr zu und sie ging. Velica schürzte die Lippen. „Also, worum geht es, ich hoffe die Story ist meine Zeit wert.“ Teo nickte. „Wie wäre es mit einer Auferstehung von den Toten?“

Kapitel 12: Ten

Nach dem Essen mit Maya war Ten in Gedanken versunken zur Uferpromenade gegangen. Die Idee die Maya ihr offenbart hatte faszinierte sie ebenfalls, aber ihr Leben war gerade voll, die Trennung von Peter, die Kinder, ihre Liebe zu Maya, nichts fühlte sich einfach an. Wenn sie das machen würde, wäre es noch ein Schritt mehr in ein anderes Leben. Vielleicht aber in eines, dass sie schon immer wollte?

Sie hatte erkannt wie sehr sie ihr bisheriges Sein nicht selbst entschieden hatte, wie sehr sie durch dass, wie sie geglaubt hatte, das Leben einer Frau zu sein hatte, eine andere gewesen war. Umso erschreckender gleichzeitig zu spüren, dass es fast allen Frauen und auch Männern so ging, dass sie nur Rollen spielten und dass fast niemand auf Dauer glücklich sein konnte damit. Es ging nicht nur um Selbstverwirklichung, es ging um Ehrlichkeit zu sich selbst. Mit einer Partnerin, die das akzeptierte, der es wichtig war, das sie glücklich war und das gegenseitig, war es nun ein ganz anderes Gefühl. Es war endlich wahre Liebe.

Leider verstanden das Menschen nicht, die das noch nie gespürt hatten. Sie spielten weiter Theater vor sich selbst und anderen und hielten das für echt. Peter würde es nie verstehen, Kyle und Dora vielleicht etwas mehr. Denn es war wichtig, den Kindern so früh wie möglich zu zeigen, dass es richtig war sich selbst zu finden, statt ewig den gesellschaftlichen Normen nachzulaufen. Jeder war seines eigenen Glückes Schmied. Es durfte nicht nur immer darum gehen anderen zu gefallen. Wenn sie das auch erkannten, durch ihre Handlung, durch ihre Befreiung, so würde das vielleicht auch sie befreien, noch bevor sie darin gefangen waren und davor bewahren die gleichen Fehler zu machen, wie sie.

Genau darum ging es auch in diesem Projekt, die Hüllen fallen lassen, die falschen Kleider die man durchs Leben trug. Es ging also nicht nur um Kunst, es war zugleich Soziologie und Psychologie. Im Kleinen konnte Kunst das immer bewirken oder Literatur, aber die Wirkung von Lennys Collage würde weiter gehen und wenn man dabei war, wäre man dem Sturm, den es entfachte und der in der heutigen Zeit leicht zu einem Shitstorm werden konnte, ausgesetzt. Es brauchte Mut. Aber sie zögerte jetzt nicht länger. Sie war bereit.

Maya war so verliebt in Ten, wie noch nie. Bisher hatte sie ein schönes freies Leben geführt in den letzten Jahren, nach ihrer Trennung von Greg. Der, mit dem er in die Staaten zurück ging, etwas zerbrochen hatte in ihr, aber es war längst geheilt und unverhofft war etwas neues entstanden und immer mehr gewachsen. Sie mochte Männer noch immer, aber mit Frauen hatte sie am liebsten Sex. Es war einfach sinnlicher, intensiver, zärtlicher im Moment. Zumindest oft. Wobei ihr klar wurde, dass das natürlich auch von der Partnerwahl abhing. Frauen waren ebenso verschieden wie Männer, aber sie waren doch oft grundsätzlich etwas achtsamer mit ihren Partnerinnen.

Sie lernte dazu, auf ihrem Weg und nun hatte sie sich tatsächlich neu verliebt, dass machte die Sache noch einmal ganz anders. Es war einfach wunderbar, man konnte den Unterschied zu allen Affären vorher nicht besser in ein Wort fassen. Nichts war nicht gut mit Ten! Auch dass ihre Freundin zu kämpfen hatte mit ihrer unguten Ehe und Zeit mit den Kindern brauchte, war für sie überhaupt kein Problem. Früher hätte sie sich schnell zurückgezogen, mit Ten wollte sie bei ihr sein. Sie inspirierte sie und mit ihr entdeckte sie neue Seiten an sich selbst. Wahre Liebe war ein Jungbrunnen der Gefühle, des Körpers und auch der Gedanken. Man erkannte endlich auch die eigenen Sackgassen im Leben.

Wenn sie gemeinsam bei Lennys Projekt dabei wären, würde das genau dieses neue Lebensgefühl ausdrücken und Teil der Botschaft sein, die auch Lenny vermitteln wollte. Sie lächelte versonnen während sie den Bücherstapel vor sich sortierte, sie war nicht sicher ob Lenny selbst erkannt hatte was er in den Menschen, die er ins Boot holte, das Bild einer Arche kam ihr dabei in den Sinn, wie viel er bei ihnen wirklich bewegte. Sie hoffte sehr, dass es auch bei all jenen zu einer inneren Bewegung kam, die es dann nur betrachteten. Vielleicht sogar zu mehr.

Es klingelte an der Ladentür und sie sah auf. Ein kleiner Mann in hellem Trenchcode kam herein und sah sich seltsam gehetzt um, als wolle er kein Buch kaufen sondern habe andere Absichten. Misstrauisch schaute sie zu ihm hin. „Kann ich ihnen helfen?“ Er trat ganz nah an den Tresen, der sie nun nur noch voneinander trennte. Wieder sah er sich um, offenbar um zu prüfen, ob andere Kunden in Hörweite waren. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, aber es fiel ihr nicht ein woher.

„Velica, sagte er, „wir haben ein gemeinsames Projekt.“ Sie riss die Augen auf. Schlagartig wusste sie wen sie vor sich hatte. „Ich hörte sie schreiben die Texte dazu. Ich wüsste gerne was sie zu veröffentlichen planen und wann?“ Jetzt war es Maya die sich hastig umblickte, dann flüsterte sie: „Folgen sie mir bitte in mein Büro.“ Sie schaffte es auf dem Weg dorthin ihn anzulächeln, denn der Gedanke dass sie den berühmten Influencer mit im Boot hatten, verschaffte ihr ein kurzzeitiges Hochgefühl. Er schien es zu spüren und lächelte wissend zurück. „Diese politische Bombe, will ich mit anzünden, was denken sie?“ sagte er, mit hochgezogenen Augenbrauen. Maya nickte.

Kapitel 13: Max

Was er erfahren hatte von Linn Halsberg, war das Puzzleteil was seiner Überzeugung noch gefehlt hatte. Er lief mehr im Gedanken mit, bei der großen Demo in der Innenstadt, als dass er wirklich dabei war. Was mit dieser Demokratie seit den letzten Monaten passiert war, war auch ein Teil des Puzzles. Das Kunstprojekt würde aber viel mehr bewirken, da war er sich sicher. Er sah sich um, die jungen Menschen die an diesem Friday noch für eine besseren Zukunft demonstrierten, waren längst schon wieder gespalten, was wirklich der richtige Weg war.

Menschen waren leider so wechselhaft in ihren Überzeugungen und darum brauchte es andere, so wie ihn, die es ihnen erklärten. Das versuchten natürlich viele und das war das Problem. Es gab viele Wahrheiten und welche die sich geschickt dafür ausgaben. Die Demokratie ließ es zu und es gab natürlich auch nicht nur den einen richtigen Weg. Aber richtig blieb auch, dass Gewalt immer auf Dauer keine Lösung sein durfte. Jegliche Form von Aggression. Darum, auch wenn man sich wehren musste gegen Aggressoren, war das friedliche Demonstrieren für seine Grundsätze, etwas was Max immer gleichzeitig wichtig bleiben würde. Meinungsfreiheit hieß aber nicht, dass demokratiefeindlichen und rassistischen Äußerung unter diesem Deckmantel, etwa nicht widersprochen werden durfte. Im Gegenteil! Nicht bei dieser Demo und auch nicht im Privaten. Aber bei vielem anderen, zum Beispiel Protesten gegen die Maßnehmen gegen die Pandemie, gab es leider viele die das falsch verstanden und so auf Lügen hereinfielen und noch schlimmer, sie naiv weiterverbreiteten.

Um diese Menschen vor ihrer eigenen Dummheit zu retten, musste man neue Weg beschreiten, damit ihnen die Augen aufgingen. Das war ihm inzwischen klar.

Am Ende des Demonstrationszuges lag zufällig der BayenTower mit Franks neuem Atelier. Er würde also danach dort wie verabredet vorbei schauen, um wie Frank sich ausgedrückt hatte, bereits Zeuge der Generalprobe zu sein.

Clara küsste Lenny und Linn küsste Lenny. Sie hatten sich daran gewöhnt und er natürlich auch. Es durfte die Arbeit nicht stören, konnte sogar eher nützlich sein, wenn sie hier eifersuchtsfrei blieben. Clara kannte solche Situationen, sie hatte sich schon häufiger bei einem gut betuchten Freier, diesen mit anderen Mädchen geteilt. Es war nicht das selbe wie wenn man echte Gefühle hatte, aber gerade dann war es auch eigentlich leichter, mochte man die andere auch, gönnte man dem Geliebten diese doppelten Gefühle. Linn fiel das zuerst schwerer, das hatte sie gespürt, aber mit dem sie sich kennengelernt hatten, war ihre Angst, fast verschwunden.

Das neue Atelier verlief über eine ganze Etage des BayenTowers, sie konnten das Projekt hier tatsächlich proben, denn der Platz entsprach dem Raum im Modern Art Museum. Als es klingelte trafen die ersten Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein. Lenny trollte sich zu seinen Kameras. Schließlich kam auch Velica und nahm alles genau in Augenschein. Teo, der die Orga des Tages übernommen hatte und laut Anweisungen gab, führte ihn dabei herum.

„Wann kommt Hans?“ Fragte Clara Teo schließlich, als der Countdown für die ersten Aufnahmen lief. „Später“ Antwortet der kurz angebunden. Sie sah ihn irritiert an. „Stimmt was nicht?“ Er blies die Backen auf, warf einen leicht verzweifelten Blick auf das Durcheinander der Leute. Dann nahm er sie sanft am Arm und führte sie um eine Zimmerecke. „Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht wo er ist.“ Claras Augen weiteten sich. „Wie meinst du das? Ich dachte er sitzt in deiner Wohnung.“ Er nickte. „Bis gestern Nachmittag.“ Er schilderte seine Verfolgungsjagd. „Als ich zurück kam, nach meinem Treffen mit Velica, war er verschwunden.“

Clara hob beide Hände an die Wangen. „Und jetzt?! Weiß es Lenny schon?“ Teo zuckte mit den Schultern. „Wenn er vor dem Projekt irgendwo gesehen wird, können wir alles knicken.“ „Aber, was glaubst du wo er ist?“ Teo schürzte die Lippen. „Die Frage ist mehr, wer ihn hat.“ Clara schluckte hörbar. Teo nickte. „Für mich sah das Chaos in meiner Wohnung mehr nach einer Entführung aus oder einer überstürzten Flucht.“ „Hast du es schon Lenny gesagt?“ Widerholte Clara. Teo schüttelte den Kopf. „Ich hoffte bisher immer noch, Hans würde hier plötzlich alleine auftauchen.“

Die Probe war zwei Stunden später vorüber, aber ohne Becker. Lenny war, nachdem Teo es ihm gestanden hatte, stinksauer auf ihn und auf die Situation überhaupt. Es fehlten außerdem noch immer 4 Teilnehmer für das Projekt. Aber die wichtigste Frage war, wo war Hans? Bis der Anruf kam. Linn war an Lennys Anschluss gegangen und gab mit einem Ausruf zu erkennen, dass es wichtig war. Die Gespräche der übrigen Anwesenden verstummten sofort.

„Ich bin auf der Flucht“ Hörte man die Stimme von Hans Becker, nachdem Linn den Apparat auf laut gestellt hatte. Seine Stimme klang gehetzt. „Sie wollen mich umbringen!“ „Mein Landhaus.“ Die Verbindung schien abzubrechen. „Zabling, ich muss untertauchen.“ „Kann nicht mehr teilnehmen …“ Mann hörte ein Krachen. Die Verbindung brach nun tatsächlich ab. Es herrschte Totenstille im Raum.

Lenny fand als Erster wieder seine Sprache. „Wo ist das?“ Er schaute zu Teo hinüber. Dieser hob die Arme. Linn antwortete an seiner Stelle. „Er hat soweit ich weiß, mehrere Landhäuser um die Stadt, wir haben seine Verhältnisse beim Fall natürlich durchleuchtet. Zabling ist, wenn ich mich Recht erinnere am weitesten draußen im Grünwald, wo genau finde ich heraus.“ Clara, die ziemlich bleich war, sagte: „Aber wer sollte ihn wirklich umbringen wollen?“ „Das ist klar, denke ich.“ Meinte Lenny. „Seine Frau, wir sind ihr nur zuvor gekommen.“ „Aber sie denkt doch schon, er sei tot.“ „Vielleicht auch inzwischen nicht mehr.“ Alle schauten Lenny fragend an, bei diesem laut ausgesprochenen Gedanken.

Teo schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. „Verdammt, ich hab ihn mit seiner Tochter telefonieren hören. Dachte mir bisher nichts dabei.“ Lenny nickte. „Los, wir müssen schneller sein.“

„Wer hat ein Auto dabei?“ „Meine Ente steht vor der Tür.“ Sagte Maya. Alle anderen waren zu Fuß. Lenny rollte mit den Augen. „Besser als gar nichts. Gib mir den Schlüssel.“

Teo und Lenny sprangen in den Wagen, als der Abend sich schon über die Stadt senkte. „Was glaubst du, was das für ein Geräusch war am Telefon. „Ich hoffe kein Unfall.“ Antwortet Lenny knapp. „Aber ob wir seine Einzelteile aufsammeln oder ihn, ist egal. Wir müssen wissen was geschehen ist. Teo nickte, steckte den Zündschlüssel ins Schloss und warf einen verzagten Blick auf die Handkupplung. „Wer fährt heutzutage sowas noch?“ Brummte er. Die Beifahrertür des Wagens wurde aufgerissen und Max keuchte atemlos. „Hab ich euch noch erwischt. Da muss ich mitkommen!“ Sie starrten in sein filmendes Handy. „Was?“ Sagte er. „Natürlich als Live-Reportage auf meinem Blog.“

Nachdem sich Max hineingequetscht hatte, startete Teo den Wagen und riss die Kupplung in den Gang. Die Ente schoss aus der Parklücke, einen hupenden Mercedes die Vorfahrt nehmend und alle drei Männer lachten, trotz des ernsten Problems, dass sie zu lösen hatten.

Kapitel 14: Überleben

Das ganze war langsam so bizarr, dass Hans Berger nicht mehr wusste, wie er es einfangen sollte. Da wollte man einmal ein guter Mensch sein. Er klammerte sich ans Steuer seines Porsches und dachte verzweifelt nach. Sollte er direkt ins Ausland fliehen? Aber dann wäre seine Tochter erst einmal gestorben für ihn. Er seufzte. Es war ein Fehler gewesen sie anzurufen. Nicht nur, dass sie den Schrecken ihres Lebens bekommen hatte. Der Alte ruft aus dem Jenseits an, sondern auch, dass seine Frau es jetzt wusste.

Sie wusste nun, dass sie sich zu früh gefreut hatte auf das Millionenerbe, ohne ihn und darum, das war seine Vermutung, hatte sie die Schatten angeheuert. Aber mehr als um seines, fürchtete er um Lylas Leben. Er fürchtet die Gier seiner Frau würde vor ihrer Adoptivtochter nicht halt machen. Er hatte seine Pläne darum geändert. In dem Wissen, dass Elvira vielleicht ahnte wo er sich verstecken könnte, war sein Plan, direkt zu ihrem Haus zu fahren und Lyla dort aus ihren Fängen zu befreien. Wenn sie dann auch Teil des Projektes würde, waren sie vielleicht safe.

Als er die Villa erreichte und am Straßenrand parkte, brauchte er eine Zeit um sich zu sammeln. Gerade wollte er aus dem Auto steigen, da öffnete sich das Garagentor. Gebannt hielt er inne. Aus dem selbigen kam jetzt Elviras Mini Caprio herausgeschossen und er erkannte sie selbst, sie trug eines ihrer bunten Kopftücher und neben ihr saß Lyla. „Verdammt,“ murmelte er. Er ließ rasch den Motor an und fädelte drei Wagen hinter ihnen ein. Wo wollten sie hin? Das war sicher der Beweis, dass sie bereits alles wusste.

Nach einer halbstündigen Verfolgung durch die Stadt, erreichten sie überraschenderweise die Zentrale seiner Bank. Er parkte gegenüber und dachte erneut nach. Er hatte sich im Lauf der Jahre viele Feinde gemacht, aber sein Geld war sicher. Wollte sie nun wirklich von seinem Tod profitieren, bevor herauskam, dass das nicht stimmte? Ihre Liebe war erkaltet, aber sie hatte doch alles. War er vielleicht total auf dem Holzweg? Irgendetwas stimmte hier nicht, aber er kam nicht darauf.

Es hatte einige Zeit gedauert, mit der lahmen Ente, aber dann hatten sie die Waldvilla Bergers erreicht. Aber er war nicht dort. Ratlos lehnten sie am Auto, als die Straßenlaternen angingen. „Hat er uns einen Streich gespielt?“ Meinte Teo. Lenny brummte missmutig. „Warum sollte er, wenn er es sich anders überlegt hat, braucht er es ja nur zu sagen. Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Max blickte die beiden nachdenklich an. „Also, ich hab ein Gespür für sowas. Wer könnte ein Interesse daran haben, dass die Ausstellung platzt ?“

„Viele!“ Kam es wie aus einem Mund von Teo und Lenny. „Genau, denn mehr noch als die Modelle, wird doch die Politik hier nackt ausgezogen. Aber wer weiß von allem und ist am meisten betroffen, bzw. wem könnte ein Erfolg der Ausstellung am meisten schaden?“ Lenny und Teo sahen sich an. „In vier Wochen ist OB Wahl, der ultra rechte Kandidat der Heimatliga liegt in den Umfragen leider vorne.“ Max meinte: „Es sieht nach einer Protestwahl aus. Gegen Virenschutz, gegen Flüchtlinge, gegen andere Meinungen, gegen Diversität, also mal wieder gegen alles was Angst macht. Es ist zwar nur eine Stadt, aber so fängt es an sich zu etablieren.“ Lenny nickte. „Genau darum haben wir ja den Eröffnungstermin so gewählt. „Genau, darum.“ Max nickte.

Sie stiegen wieder ins Auto. „Was jetzt?“ Fragte Teo. „Es geht nicht um Berger selbst oder nicht unmittelbar, es geht ums Geld, wie immer. Es gab schon vorher Gerüchte, das Elvira Berger eine heimliche Unterstützerin der Liga ist.“ „Du glaubst sie will sein Geld spenden bevor er wieder auftaucht?“ Max nickte. „… und ich denke, er hat vielleicht den selben Gedanken.“ „Also zu Bergers Bank!“ Sie fuhren los.

Hans atmete tief durch. Als er Teos Wohnung über die Hintertür verlassen hatte, waren die Verfolger trotzdem nah an ihm dran gewesen. Er erkannte sie, es waren Parteigenossen dieser verfluchten Liga, weshalb er seine Befürchtungen bestätigt sah. Er hatte einer Eingebung folgend, einen seiner Kranführer angerufen und ihn gebeten, die beiden in ihrem Auto lahm zu legen. Der Mann war offenbar über den Tod hinaus loyal und hatte keine Fragen gestellt. Als er in seinen Porsche sprang, hatten die Schatten also versucht ihm zu folgen, doch die Kette, die sein Mann, der mit dem Baufahrzeug hinter sie gefahren war und unbemerkt an dem ihren befestigt hatte, bewirkte, dass sie beim Losreißen, gegen die vor ihnen stehende Laterne knallten.

Wenn die Sache nicht so ernst wäre, hätte er sich sehr darüber amüsiert. Immerhin ein kurzes Lachen hatte er sich gestattet und war dann gefahren. Die Situation blieb aber die selbe, er hatte kurz im Museum angerufen und weil er nicht wusste, wer noch darin verstrickt war, eine falsche Spur gelegt und trotzdem ein Lebenszeichen von sich gegeben Dann war er auf direktem Weg zur Bank gefahren und jetzt musste er seinen Bankier an die Kette legen, aber zugleich Lyla retten, denn Elvira durfte kein Druckmittel gegen ihn haben und gegen die Eröffnung der Ausstellung. Er eilte über die Straße. Da kam seine Frau gerade aus der Bank, sah ihn ohne jegliche sichtbare Überraschung und sprang eilig in ihr Caprio. Bevor er sie erreichte brauste sie wieder los.

„Verdammt!“ Fluchte er. Auch Lyla hatte ihn jetzt gesehen und ihre im Gegensatz zu ihrer Mutter, groß werdenden Augen, versetzten ihm einen Stich.

Was sollte er tun? Er musste zuerst in die Bank. Gerade wollte er gehen, da kam eine grüne Ente um die Ecke gebraust und stoppte vor ihm mit quietschenden Bremsen. Er erkannte die Insassen und auch wenn ihm klar war, dass sie ihn suchten, rief er: „Elvira hat meine Tochter!. Ich glaube sie fährt zur Liga Zentrale mit ihr.“ Teo verstand, nickte, wendete den Wagen und gab Gas, bevor einer der anderen protestieren konnte.

Hans zögerte gedankenverloren über das Leben mit seiner Frau. Sie hatten viel versucht um die Liebe zu halten. Diese gemeinsame Liebe hatte sich auch eine Zeitlang auf Lyla projiziert, auch wenn sie nicht Elviras leibliche Tochter war und das war es, was sie so hoffte er immer noch verband. Aber vieles Andere war verloren gegangen. Er hatte sie betrogen, erst heimlich, dann offen. Er hatte gesucht, was sie vielleicht auch nie hatten, was all der Reichtum, all das irgendwann gefühlt Falsche ihm nicht geben konnte und doch hatte er es nicht gefunden. Bis Lenny ihn gefragt hatte, ob er sein Leben ändern wollte. Nein, eigentlich hatte er das so nicht gemeint, aber es war ihm im selben Moment selbst klar geworden.

Er hatte dieses Chaos jetzt alles verdient, er war ein schlechter Mensch gewesen, ein schlechter Ehemann und Vater. Einer der den Blick verloren hatte auf die Seele, der sich seinen eigenen Sinn gab, Unsinn, Irrsinn. Das war zwar vielleicht etwas, was viele Menschen taten, auch Elvira war in sich selbst und als Teil ihrer Beziehung in diesem Rad des Lebens gefangen gewesen. Nun war aber auch sie daran sich zu befreien, nur wohin sollte das gehen, das war es, was er nicht verstand. Sie hätten sich doch miteinander befreien können, einen neuen Weg finden, mit und über das Projekt. Aber das wäre sein Weg gewesen, dachte er, nicht ihrer. Er nickt zu sich selbst. Das war der Grund. Hans riss sich los von den Gedanken und betrat die Bank.

„Hey, das ist doch verrückt, jetzt fahren wir wieder in die Richtung, wo wir herkommen.“ Teo warf die Arme hoch und Lenny musste kurz das Lenkrad halten. „Ja, wir müssen sie einholen. Wohin soll sie sonst wollen. Ich denke ich weiß worum es ihr geht.“ Er warf einen scharfen Blick zu Max, der während der letzten Ereignisse eher still geworden war. „Wie meinst du das?“ Sagte Teo, während er jetzt wieder entschlossen über die nächste rote Ampel fuhr. „Ich hab sie nicht dazu überredet.“ Murmelte der Reporter, vom Rücksitz. Lenny schnaubte. „Aber du hast sie auf den Gedanken gebracht, wie lange geht das schon?“ „Ein halbes Jahr.“ „Darum wolltest du mit. Kannst du sie überzeugen?“ Max nickte. „Ich hoffe es. Ich hab ihr die Augen geöffnet, aber sie muss es selbst sehen. Sie muss sich selbst sehen, neben ihm.“

Elvira sah sich und auch Lyla, aber Lyla sollte nicht Teil von alldem sein und war es doch. Sie fand dass alles aus den Fugen geraten war, ihr Leben und ihre Sicht auf die Welt. Es ging einfach nicht so schnell, wie es Hans gerne hätte oder auch Max. Gut, Max hatte sie herausgeholt aus dieser Rolle in der sie ewig gesteckt hatte, aus vielen Rollen. Sie war ihm dankbar aber zugleich auch war er Schuld, dass sie darüber alle Seile verloren hatte, in denen sie sich hatten sicher fühlen können. Es war Hans Projekt, nicht ihres, sein Leben. Sie musste ihn loslassen und sich damit zugleicht befreien. Sie wollte bewahren aber auch sich öffnen. Daher musste sie weg.

„Wir müssen sie gehen lassen, ich muss sie gehen lassen.“ Max hatte die Handbremse gezogen und die Ente hatte sich einmal um sich selbst gedreht und war mit qualmendem Motor, mitten auf der Straße zum Stehen gekommen. „Was zum Teufel!“ Riefen Teo und Lenny zugleich. „Bist du wahnsinnig!“ Ergänzte Lenny. Beide blickten den Influencer fragend an. „Wir müssen es Hans klar machen. Er muss sie gehen lassen, sie können sich nach dem Projekt wiederfinden. Vielleicht.“ Es gab eine gefühlt ewige Stille im Wagen, dann nickte Lenny. „Du hast Recht und Lyla droht keine Gefahr von ihrer Stiefmutter, sie wird selbst entscheiden. Denn es geht in Wirklichkeit nicht um das Geld, sondern um Liebe, nicht wahr?“ Max nickte.

Hans war umgekehrt, bevor der Bankangestellte ihn erkennen konnte. Irgendetwas hatte ihm gesagt, dass es falsch war. Als er wieder auf der Straße stand, sah er die Ente wieder auf sich zukommen und war aus irgendeinem Grund nicht so sehr überrascht. Ohne ein Wort stieg er ein, als Teo den Wagen hielt. Dann wandte er sich an Max: „Ich danke dir.“ Max nickte überrascht und sagte dann: „Es tut mir leid.“ „Nein“, sagte Hans „Sie kann gehen wohin sie will und mit wem sie will. Erst dann werden wir uns wieder finden können oder auch nicht.“ Lenny verzog die Lippen. „Bist du wieder dabei?“ Hans nickte. „Ich weiß noch nicht, wann ist die nächste Probe?“ „Wir machen morgen noch eine.“ Er überlegte. „In meiner Wohnung bist du aber nicht mehr sicher.“ Hans überlegte. „Ich werde nicht mehr weglaufen.“ Dann nannte er Teo eine Adresse. „Dort werden sie dich finden,“ meinte Lenny überrascht. „Ja, die Menschen die mir wirklich etwas bedeuten.“

Kapitel 15: Lyla

Sie erreichten die Partei Zentrale und als Elvira den Wagen in der Auffahrt stoppte, riss Lyla die Tür mit einer Wucht auf, das sie drohte aus den Angeln zu reißen. Die ganze Fahrt schon hatten sie gestritten, so dass Elvira das Dach schloss und Lyla hatte versucht sie zum Anhalten zu bewegen. Jetzt stampfte sie mit dem Fuß auf und schrie sie an: „Du bist nicht meine Mutter!“ „Wie man unschwer erkennen kann,“ antworte Elvira trocken „…und doch liebe ich dich.“ Lylas Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch mehr, wenn das überhaupt möglich war, bei ihrer dunklen Hautfarbe.

„Ja, haben dich adoptiert, das weißt du, aber …“ Lyla unterbrach sie „Aber ihr habt nicht meine Meinung adoptiert, schon gar nicht du.“ Elvira biss sich auf die Lippen. „Sicher Schätzchen, nur bist du noch nicht volljährig. Ich will dich nur vor Dingen bewahren, die du noch nicht verstehst. Dein Vater will sich rein waschen mit diesem Projekt, du hast ihn selbst oft genug beschimpft, wegen seines Lebens, unseres Lebens.“ Lyla stapfte zur Tür und schien ihr nicht mehr zuhören zu wollen. Dann drehte sie sich um und schrie: „Aber vielleicht tut er damit zum ersten Mal etwas richtiges.“ Elvira lachte laut auf. „Wir haben viel richtiges getan Kind, aber natürlich auch Fehler gemacht. Wie jeder Mensch.“ Lyla trat gegen die Wagentür, dass sie wieder zu flog, Elvira war an der Fahrerseite aber längst ausgestiegen.

Sie kam um den Wagen herum und umarmte ihre Adoptivtochter, die es widerstrebend zuließ. „Du bist nur sauer, weil er es dir,“ sie stockte, „weil wir es dir nicht gesagt haben.“ Sie spürte wie Lyla in ihren Armen bebte und ihnen beiden kamen die Tränen. „Ich muss zu ihm Mutter.“ Elvira seufzte, dann flüsterte sie, es darf kein Erfolg werden, verstehst du das nicht?“ Lyla löste sich von ihr und sah sie irritiert an. „Du hast mich deswegen entführt?“ Elvira rollte mit den Augen. „So würde ich das nicht nennen. Du bist meine Tochter. Ich will nicht dass er dich schon wieder instrumentalisiert.“ „Ha!“ Lyla lachte laut auf, aber du? Es geht dir um diesen Walter Rem.“ „Nein, er hat nichts damit zu tun.“ Lyla brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sich und ihre Mutter. „Doch, hat er. Du unterstützt ihn und das obwohl er ein Rassist ist.“ Elvira schüttelte den Kopf. „Du verstehst mich nicht.“ Lyla schnaubte. „Du verstehst mich auch nicht. Ich fahre zurück!“

Lyla sprang über die Vorgartenwiese zurück zur Straße. Elvira schaute ihr entgeistert nach. Ein Junge mit Moped kam genau in dem Moment vorüber und sie hielt ihn an, setzte sich hinter ihn, warf ihrer Mutter noch kurz einen triumphierenden Blick zu und und fuhr zurück zur Innenstadt. Das ging so schnell, dass Elvira mit offenem Mund da stand. „Verfluchtes Gör!“ Entfuhr es ihr. Dann beruhigte sie sich aber schnell wieder. „Das wird ihm alles nichts mehr nützen, morgen steht es in allen Zeitungen und das Projekt ist erledigt,“ brummte sie und wählte auf dem Handy Walters Nummer. Eine dunkle Männerstimme nahm ab. „Du musst Max jetzt sagen, er soll es posten.“ „Noch nicht, antwortete die Stimme. Sie dürfen dann keine Alternative mehr haben.“ „Aber Lyla fährt gerade zu ihm.“ Die Kontrolle in der Stimme schien etwas verloren zu gehen. „Wie konnte das passieren, du solltest sie festhalten.“ Elvira antwortete nicht. „Gut, das macht auch nichts,“ fuhr der angerufene fort, „wir haben auch so alles was wir brauchen um ihn zu vernichten.“ Vielleicht will ich das gar nicht mehr, dachte sie.

Lyla war dankbar, dass Jörg ihr gefolgt war, sie hatte ihm während der Flucht mit ihrer Mutter, heimlich über WhatsApp ein Help Symbol gesendet und es war ihm gelungen dran zu bleiben. Sie wusste dass er für sie schwärmte, hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, das auszunutzen, aber diesmal ging die Sache über ihre Gefühle. Sie rasten der Stadt entgegen und sein Zopf flatterte immer wieder vor ihrer Nase, bis er sich an einer großen Ampelkreuzung endlich umwandte und sagte: „Wohin willst du eigentlich?“ Lyla hatte die letzten Minuten angestrengt nachgedacht. Sie wusste nicht wo ihr Vater war, sicher nicht mehr bei der Bank und war auch auf ihn eigentlich nicht gut zu sprechen. Aber sie hatte jetzt beschlossen, bei seinem Projekt dabei zu sein, aus freien Stücken.“ „Wir fahren zum Museum,“ antwortete sie daher und Jörg sah sie verblüfft an, zuckte dann mit den Schultern und gab Gas, als die Ampel vor ihnen auf Grün sprang.

Clara war überrascht, aber auch wieder nicht als Teo sie verliebt ansah. Tat er das wirklich? Sie hatten sich im Café Aus der Traum verabredet und auch wenn sie das gespürt hatte, dass da mehr zwischen ihnen war, seit ihrer ersten Begegnung, war sie unsicher. Sie war ein gefallenes Mädchen und doch hatte sowohl Lenny als auch Teo sie nie so behandelt. Trotzdem war es nicht einfach, denn Liebe war etwas, dass sie als Konzept kannte, aber es hatte wenig mit der käuflichen Liebe zu tun, die in den letzten Jahren Teil ihres Lebens gewesen war. Es ging zwar auch dabei um das, worum es allen Menschen ging, überhaupt Nähe zu spüren, aber wirklich jemanden zu treffen, der einen solchen Rausch auslöste in ihr, über den Sex hinaus, hatte sie nicht für möglich gehalten.

Teo lächelte sie an und nahm ihre Hände. Die Nacht zuvor war auch für ihn unvergleichlich gewesen und es war völlig egal wie man es nannte, was Clara in ihm berührte, das Herz, die Seele, es war einfach wunderbar. Er kannte es, dass die Frauen ihm nachliefen, sich alle in ihn verliebten, aber noch nie, hatte er in sich eine solche Tiefe entdeckt. Es war schön, manchmal sehr schön, aber alles vergänglich, nicht so wirklich echt gewesen. Mit Clara war dies zum ersten Mal anders und dass verwirrte ihn und bezauberte ihn zugleich. Die Welt, war wie neu erfunden.

„Morgen ist es soweit.“ Clara nickte. „Es wird dein großer Abend“ „Ich fürchte mich auch.“ Meinte er zur Antwort. Er stand auf und umarmte sie. „Das musst du nicht, es geht alles gut.“ Die Türglocke des Cafés schlug an und Lenny stürzte zu ihrer Überraschung herein. Die Augen weit aufgerissen. Teo sah ihn bestürzt an, „Was ist los?“ „Ein Shitstorm auf Insta“ Keuchte Lenny. „Die Ausstellung wurde gerade vom Museum abgesagt.“ Clara keuchte auf. „Oh nein!“

Das Mopped hielt vor dem Eingang, das Museum war noch nicht geöffnet, aber Lyla wusste wie sie hinein kam, denn sie hatte letzten Sommer hier gejobt und führte nach dem Abstellen des Moppeds Jörg zum Personaleingang, wo sie hoffte die Reinigungskräfte, die immer um diese Zeit da waren, noch vorzufinden. Tanja, die sie erkannte, ließ sie tatsächlich ein. „Ist der Chef schon im Haus?“ Tanja nickte, „sitzt in seine Büro.“ Lyla lächelte. „Du bleibst hier,“ sagte sie zu Jörg. „Vielleicht müssen wir schnell wieder weg.“ Er nickte ergeben.

Kapitel 16: Brenner

Brenner saß am Schreibtisch und dachte über die Situation nach. Als Rem ihn gerade angerufen hatte, war er sich bewusst gewesen, dass es kein zurück gab. Der Politiker hatte ihn in der Hand, auch weil er in jungen Jahren ein Mitläufer seiner Bewegung gewesen war, aber das war nicht alles. Dass die Ausstellung ihm schaden könnte, war Brenner nicht klar gewesen. Er war ein Mensch mit zwei Gesichtern, als Kunststudent schon. Er konnte ganz versinken in seinen Projekten und die Welt vergessen. Doch irgendwann hatte er gemerkt, dass er trotzdem keinen Erfolg hatte, im Gegensatz zu, in seinen Augen weniger begabten und das ließ ihn verbittern. Um im Kunstbetrieb aber trotzdem Anerkennung und beruflichen Erfolg zu erlangen, fälschte er Bilder und Rem vertrieb sie als Originale, als er noch nur, ein Antiquarien Händler war, über dubiose Kanäle im Ausland. Die Kontakte dazu und das Geld liefen über Hans Becker.

Das lukrative Geschäft verband sie alle drei, aber es machte sie auch angreifbar. Hinzu kam jetzt die politische Dimension. Wenn Becker tatsächlich noch lebte und wie Rem behauptete, das ganze auffliegen lassen könnte, bei der Ausstellungseröffnung, wäre sein Leben und Rems politische Karriere ruiniert. Aber ganz verstanden hatte er es nicht. Er war bei Beckers Beerdigung gewesen, der war erschossen worden, das stand in allen Zeitungen. Wie konnte er also noch leben? Aber wenn Rem doch Recht hatte, durften sie kein Risiko eingehen.

Die Tür zu seinem Büro ging auf und Beckers Tochter kam zu seiner großen Überraschung herein. Der Direktor sah sie entgeistert an. „Lyla,“ stammelte er. „was machst du hier?“ Das schlanke braunhäutige Mädchen ging mit federnden Schritten zum Schreibtisch und lächelte ihn schief an. „Ich glaube die Ausstellung sollten sie wieder ins Programm nehmen.“ Brenner strich über seinen Schnurrbart und stieß mit zusammengepressten Lippen hervor: „Lebt dein Vater wirklich noch?“ Sie nickte. „Er hat mich angerufen und gesehen hab ich ihn heute auch, zumindest aus dem Auto heraus, also wenn er keinen Doppelgänger hat, würde ich darauf wetten.“ „Machst du auch keine Witze?“ Brummte Brenner. „Mach ich nicht,“ antwortete sie spitz. „Dann kann die Ausstellung nicht laufen.“ „Hm, wegen eurer krummen Geschäfte, ich hab das Telefonat eben mitgehört.“ Brenners Augen weiteten sich und es hatte den Anschein als wollte er aus dem Sessel springen, doch dann sank er offenbar resigniert wieder zurück. Lyla schnaubte verächtlich.

„Ich mach dir einen Vorschlag. Direktor.“ Brenner brummte etwas zur Antwort. „Ich überzeuge meinen Vater beim Projekt nicht wieder aufzuerstehen, denn ich will nicht, dass er sich rein wäscht. Ich gehe mit ihm ins Ausland, aber nach dem Kunstprojekt. Den Skandal braucht es nicht, es ist auch so gut und wichtig, du weißt das. Es steigert das Renommee des Museums ungemein und es ist zugleich wichtig für den Misserfolg der Liga. Zuletzt wird das meiner Mutter hoffentlich die Augen öffnen.“ Brenner starrte sie an. „Aber, dann wird Rem alles offen legen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und sich selbst und der Liga noch mehr schaden?“ Brenner überlegte. Lyla fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. „Noch eine Bedingung.“ Brenner atmete tief aus. „Die Besitzer deiner Fälschungen tun mir nicht leid, sie sind nur geltungsgierige Geldsäcke. Aber ab sofort fließt alles Geld daraus in das Museum und kein Cent mehr an die Heimatliga.“ Brenner grunzte. „Dann schaufle ich mir mein eigenes Grab. Warum sollte ich das tun?“

Lyla verspürte einen Klos im Hals, „vielleicht meiner Mutter zuliebe?“ Doch dann hörte sie ein Geräusch und fuhr herum. „Du täuschst dich über unsere Beziehung Kind …“ Setzte der Direktor gerade zur Erwiderung an, da stand Rem plötzlich in der Tür und grinste. „Du lässt dir von dieser Göre diktieren was du tun sollst.“ Er warf Brenner einen verächtlichen Blick zu. Dann versuchte er Lyla zu schnappen, die geschickt auswich und sich an ihm vorbei durch die Tür mogelte. Rem fluchte und stürzte hinterher, rutschte dabei jedoch auf dem Teppich aus und knallte mit dem Kopf gegen den Türknauf. Lyla quietschte entsetzt und starrte auf den nun am Boden liegenden Politiker. Auch Brenner stieß ein Gurgeln aus und hatte sich erhoben. „Walter!“ Rief er und kam hinter dem Schreibtisch in raschen Schritten vor, beugte sich dann über den Gefallenen und fühlte den Puls. Sein Gesicht wurde kreidebleich. Er blickte zu Lyla. „Du hast ihn umgebracht. Das ist auch mein Ende.“ Lyla schluckte. Das entwickelte sich gerade zu einem Albtraum. Noch mehr als sie nun sah was der Direktor tat. Aus dem Jackenholster von Rem zog er eine Pistole.

Lyla konnte sich nicht rühren, als er damit auf sie zielte. Sie war wie festgefroren. Dann drehte der Direktor die Pistole ganz langsam und hob sie an seine eigene Schläfe. Der Schuss fiel und er sackte fast wie in Zeitlupe, auf die andere leblose Gestalt. Lylas Starre löste sich und sie rannte so schnell sie konnte aus dem Büro, die breiten Museumstreppen hinunter und weil es schneller ging, durch den Hauptausgang, den der Pförtner, just in diesem Moment öffnete und ihr verblüfft nachstarrte.

Epilog

Jedes Ende ist ein Anfang.

Als das Publikum kam, war das Erstaunen groß. Am Tag nach dem Skandal, kam die Eröffnung. Niemand hatte sie verhindern können, denn die Menschen im Raum hatten sich über Nacht festgeklebt. Nackt und entschlossen gegen die Welt, die Ungerechtigkeit, den Krieg, die Dummheit …

Was andere auf der Straße taten, warum sollte nicht auch die Kunst hier solidarisch sein. Dagegen war ein Dafür in diesem Fall, ein Monument, ein Mahnmal, ein Manifest der Wahrheit.

Im Gegensatz zu den Gemälden der Vergangenheit, blieb dieser Ausdruck der Kunst nicht ewig, das war Lenny klar, aber trotzdem bekam er eine kurze Unzerstörbarkeit, durch Leylas Idee.

Sie war mit Jörg zu ihrem Vater gefahren, sie hatte erraten wo er sich jetzt aufhielt, genau wie ihre Mutter. Hatte ihm alles erzählt und ihn überredet, gemeinsam mit ihr am Projekt teilzunehmen. Aber sie hatte trotz ihrer Jugend oder vielleicht gerade darum erkannt, dass es flüchtig bleiben würde, wie eine Internetnews, die schon im nächsten Moment von der Nächsten überlagert wurde, darum durfte das Projekt nicht, wie von Lenny geplant, nur einen Tag real sein, sondern musste mehr Beständigkeit gewinnen, sich in der Erinnerung festkleben und so in ihrer Wirkung bleiben im Bewusstsein auch jeder nächsten Generation. Damit die ihre, eben nicht die letzte blieb.

Jeder Besucher der natürlich freiwillig zustimmte, wurde angeklebt. Niemand konnte der Erkenntnis entrinnen, wohin ihn seine Neugier getrieben hatte. Es wurde ein Chaos aus nackten und angezogenen Menschen, freiwillige und unfreiwillige Glieder des Lindwurms, der für Sinn und Unsinn der Welt zugleich stand.

Clara war die wunderbare Königin, an der Spitze der Skulptur, mit einem Gefolge von Ungleichen, Unzufriedenen und Ungelenken. Beine, Arme, Köpfe, ungläubige Blicke. Die Zeitungen und Social Media überschlugen sich und es dauerte bis zum Ende des Wochenendes, dass die Polizei alle Menschen wieder befreit hatte. Aber es löste eine Kettenreaktion aus. Überall auf der Welt klebten sich Mensch ins Museum.

Wir sind die Kunst, war die Botschaft. Wir können gemeinsam etwas ändern und zugleich für das stehen was uns unveränderlich wichtig ist.

Nichts ist in Stein gemeißelt oder geklebt, auch kein Weltbild.

Aber im verschlossenen Museums Büro lagen die Toten … die gibt es eben immer, in jeder lebenden Geschichte und Revolution

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