Clara Wunderbar – Im Atelier

Prolog

„Es ist der Blues in Deinem Kopf“ hatte Lenny ihr gesagt, „das leise Vibrieren in den Eingeweiden, das Dich immer wieder aufrecht hält. Wenn Du das nicht hast, dann gehst Du kaputt.“ Dabei hatte er sie angelächelt und sie mit den nächsten Worten aufgefordert, ihre Brüste ein wenig vor zu strecken und den Kopf verführerisch in den Nacken zu legen, während er mit seiner Kamera, jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgte.

Lennard Frank, Fotograph und Künstler, war ein besonderer Freund von Clara. Ein wirklich guter Freund. Wobei alles damit angefangen hatte, dass er sie in einer verrufenen Bar im alten Judenviertel auf gegabelt hatte. Er war nicht einer von der Sorte gewesen, die sie nur ansprachen, um sie ins Bett zu bekommen, nein, das war er wirklich nicht, obwohl es schließlich doch dort endete.
Er war von Anfang an ehrlich gewesen zu ihr, er hatte immer nur von ihrem schönen Körper als Kunstwerk gesprochen. Er spielte ihr nichts vor, er suchte nicht das Gespräch mit ihr, sondern hatte sie gerade heraus danach gefragt, ob sie bereit wäre, mit ihm zu schlafen und ein paar Fotos zu machen. Sie willigte ein, obwohl er ihr kein Geld anbot und auch sonst nichts versprach. Es war keine Liebe, aber immerhin ein Stück Hoffnung aus der Scheiße heraus zu kommen, die sei damals umgab.

Sie folgte ihm weil er nett war, was bei den Freiern nicht häufig vor kam. Halb betrunken, wie sie eben fast jeden Abend während dieser Zeit im Karamba war, stolperte sie mit ihm, im Herzen ein wenig Hoffnung auf eine angenehmere Nacht als die letzte, oder vorletzte. Das mit den Bildern hatte sie erst geglaubt, als sie das Atelier vor sich sah.

Bis dahin führte er sie durch zahlreiche dunkle Gassen und Straßenzüge, zu jenem Haus in der Jerusalemstrasse, das ihr später so vertraut werden sollte.
Es war ein alter Bau im neuklassischen Stil der frühen 20er Jahre, mit hohen Decken, verzierten Fenster- und Türrahmen, steinernen Sockeln und einem spitzen Dach. Am auffälligsten war jedoch die steinernen Sphinx an der Treppe, die zur Haustür führte.

In dieser Nacht, gingen sie sofort und nur miteinander ins Bett. Wobei Lenny nicht besser oder schlechter war, als die meisten Männer, die sie in diesem Zustand über sich ließ.
Dass er auf besondere Weise anders sein konnte, fand sie erst viel später heraus.
Am nächsten Morgen jedenfalls erkannte sie sofort, dass sie sich in einem Fotoatelier befand. Mehrere Kameras waren auf Stativen aufgebaut. Auf Wäscheleinen, die quer durch den Raum gespannt waren, hingen zahlreiche große und kleine Schwarz-Weiß-Aufnahmen nackter Frauen.

Lenny, war allerdings nirgends zu sehen und er tauchte auch den ganzen Tag nicht wieder auf. Clara wartete auf ihn bis zum frühen Abend, wobei sie die meiste Zeit damit verbrachte ihren Rausch aus zu schlafen oder sich die Bilder anzuschauen. Sie gefielen ihr ausnehmend gut und man konnte den Motiven ansehen wie viel Spaß sie bei den Aufnahmen hatten. Die Hintergründe waren phantasievoll ausgewählt und die Vorzüge der nackten Schönheiten gekonnt in Szene gesetzt. Clara war damals schon beeindruckt gewesen..

Während sie sich zwischenzeitlich ein eher kärgliches, einseitiges Mal, aus dem was Lennys Kühlschrank her gab zubereitete, stellte sie sich vor, ebenfalls vor seiner Kamera zu posieren.
In der Küche fanden sich auch einige Nacktfotos attraktiver junger Männer, denen Clara nicht nur einen beiläufigen Blick schenkte.

Lenny jedenfalls, kam nicht. Also verließ sie endlich gegen sechs seine Wohnung, die im Dachgeschoss lag. Sie hastete von einem plötzlichen Gefühl des Zeitverlustes erfasst, die Stufen hinab, wobei sie beinah strauchelte und fast mit einem jungen Mann, zusammengestoßen wäre, der schwungvoll um die letzte Biegung der Treppe gesprungen kam.

Der Fremde trug schwarzen gelocktes Haar, dass ihm bis in den Nacken fiel und ein altmodisches weißes Rüschenhemd auf der geschnürten schwarzen Lederhose. In seinen leicht verschmitzten Zügen zeigte sich der Anflug eines spöttischen Lächelns. Seine dunklen Augen musterten dabei Clara aufmerksam. Sie registrierte verwirrt, das er verflucht gut aus sah und dass sie ihn auf den Fotos in der Küche gesehen hatte.

Da Clara die Stufen hinab kam, welche nur noch zu Lennys Atelier führten und er, sein Name war Leon Feller, wie sie später erfahren sollte, demnach ebenso offensichtlich eingeschränkt in seinem Ziel nach oben war, musterten sich beide einen Wimpernschlag neugierig, ehe sie sich ohne ein Worte aneinander vorüber ließen.

Clara erreichte die Straße und schlug mit eher gebremstem Elan und schleppendem Schritt, den Weg zum Kapuzinermarkt ein.
Sie verspürte eine leichte Traurigkeit, das Lenny offenbar kein weiteres Interesse an ihr als Fotomedell hatte.

© Alle Texte und Ideen sind geistiges
Eigentum von Ludger Christian Albrecht (Luc A.)

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